OVG Münster: Kein Familienasyl für Eltern bei zwischenzeitlicher Volljährigkeit des Sohnes

Die Eltern eines als Flüchtling anerkannten Syrers können nicht unter dem Gesichtspunkt internationalen Schutzes für Familienangehörige ihre Flüchtlingsanerkennung beanspruchen, wenn der ledige Sohn zwar bei ihrer Meldung als Asylsuchende noch minderjährig war, im Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung aber nicht mehr. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster mit Urteil vom 13.03.2020 entschieden (Az.: 14 A 2778/17.A).

Nur subsidiären Schutz zugesprochen

Ein syrisches Ehepaar und seine 17-jährige Tochter, die Anfang 2016 über die Balkanroute nach Deutschland eingereist waren und jetzt in Krefeld leben, hatten auf die Anerkennung als Flüchtlinge geklagt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sprach ihnen im Oktober 2016 den sogenannten subsidiären Schutz wegen der aufgrund des Bürgerkriegs drohenden Gefahren zu, versagte aber die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ihr gemeinsam mit ihnen eingereister Sohn beziehungsweise Bruder wurde im Oktober 2016 hingegen als Flüchtling anerkannt. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Klagen der Eheleute und ihrer Tochter auf Flüchtlingsanerkennung abgewiesen.

Bei mündlicher Verhandlung nicht (mehr) minderjährig

Auch die Berufung beim OVG hatte keinen Erfolg. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter dem Gesichtspunkt internationalen Schutzes für Familienangehörige, befand das Gericht. Die Voraussetzungen lägen nicht vor, weil der Sohn beziehungsweise Bruder im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht minderjährig gewesen sei, sogar noch nicht einmal mehr im Zeitpunkt der Entscheidungen des Bundesamtes über seinen Asylantrag und den der Kläger.

Abstellen auf anderen Zeitpunkt kommt nicht in Betracht

Zwar stelle das Asylgesetz für bestimmte Fälle hinsichtlich der Merkmale "minderjährig" und "ledig" abweichend vom allgemeinen Grundsatz nicht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, sondern auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung der Person ab, die Familienschutz beanspruche, etwa bei minderjährigen ledigen Kindern von international Schutzberechtigten. Für die vorliegende Fallgestaltung gebe es aber weder eine entsprechende Regelung noch sei dieser Zeitpunkt dem Zweck nach geboten. Ob Missbrauchsfälle, in denen die Behörde das Verfahren bis zum Erreichen der Altersgrenze zur Verhinderung eines Familienasylanspruchs verzögere, anders zu behandeln wären, könne dahinstehen, weil ein solcher hier nicht gegeben sei.

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen eigener politischer Verfolgung

Die Kläger könnten auch nicht wegen eigener politischer Verfolgung die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beanspruchen. Das OVG halte an der Bewertung der tatsächlichen Situation in Syrien fest, dass aus dem Ausland zurückkehrenden syrischen Asylbewerbern, auch wenn sie Syrien illegal verlassen hätten, keine politische Verfolgung wegen einer zugeschriebenen regimefeindlichen Gesinnung drohe. Dass die Kläger aus einem früher von Rebellen beherrschten Gebiet umgezogen seien, begründe ebenso wenig die hinreichende Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung wie der Umstand, dass sie Sunniten seien.

Wehrdienstflucht der Söhne führt zu keiner anderen Bewertung

Die Kläger könnten sich ferner nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihre fünf Söhne Wehrdienstflucht begangen hätten. Das OVG halte weiter an seiner Rechtsprechung fest, dass es keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür gebe, dass der syrische Staat dem Wehrdienstentzieher eine regimefeindliche Gesinnung unterstelle. Das Gericht habe in seine Bewertung den jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 20.11.2019 einbezogen.

Nichtzulassungsbeschwerde möglich

Das OVG hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen können die Kläger Beschwerde einlegen, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

OVG Münster, Urteil vom 13.03.2020 - 14 A 2778/17.A

Redaktion beck-aktuell, 19. März 2020.