OVG Münster: Verkaufsfläche von Einzelhandelsgeschäften bleibt auf 800 Quadratmeter begrenzt

Die anlässlich der Corona-Pandemie verordnete grundsätzliche Verkaufsflächenbeschränkung von Ladengeschäften auf 800 Quadratmeter bleibt vollziehbar. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster durch unanfechtbaren Beschluss vom 29.04.2020 in einem Eilverfahren entschieden. Zwar sei der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen. Vor dem Hintergrund des mit der Verkaufsflächenbeschränkung bezweckten Schutzes von Leib und Leben gehe die Abwägung der widerstreitenden Interessen aber zulasten des Eilrechtsschutz beantragenden Warenhausbetreibers (Az.: 13 B 512/20.NE).

Mode- und Lifestyle-Warenhaus wendet sich gegen Beschränkung

Die vom Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen erlassene Coronaschutzverordnung begrenzt den Betrieb von Verkaufsstellen des Einzelhandels auf eine Fläche von 800 Quadratmeter, soweit sie nicht ausdrücklich privilegiert sind. Privilegiert und damit ohne Bindung an die Größenlimitierung zulässig sind neben den Einzelhandelsgeschäften, die der Versorgung der Bevölkerung mit Artikeln des Grundbedarfs dienen, insbesondere Buchhandlungen, Einrichtungshäuser, Babyfachmärkte und Verkaufsstellen des Kraftfahrzeug- und des Fahrradhandels. Hiergegen wandte sich ein Unternehmen mit Sitz in Minden, das in seinen Warenhäusern Mode-, Lifestyle- und Luxusartikel anbietet.

Annahme größerer Attraktivität größerer Warenhäuser nicht zu beanstanden

Das OVG hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Verkaufsflächenbeschränkung für nicht anderweitig privilegierte Handelseinrichtungen auf 800 Quadratmeter sei jedenfalls im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Die Verkaufsfläche dürfte ein Kriterium sein, das eine unterschiedliche Behandlung einzelner Einzelhandelsbetriebe mit Blick auf ihre Relevanz für das weitere Infektionsgeschehen im Ansatz rechtfertigen könne. Die Erwägung des Verordnungsgebers, dass die Anziehungskraft und Attraktivität mit zunehmender Verkaufsfläche der Unternehmen steige, sei jedenfalls nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Geschäfte mit einer großen Verkaufsfläche hätten typischerweise entweder ein Sortiment aus vielen verschiedenen Warengruppen (insbesondere Kaufhäuser) oder ein breites Sortiment einer bestimmten Warengruppe (beispielsweise Technikgroßläden oder Modegeschäfte), woraus eine Attraktivität für eine besonders hohe Zahl an Kunden resultiere. Vor diesem Hintergrund sei die Annahme, dass durch die Beschränkung der Verkaufsfläche mittelbar Kundenströme gesteuert und damit neue Infektionsketten reduziert würden, die unter anderem dann entstünden, wenn eine Vielzahl von Menschen ihren Besorgungen aller Art nachgehe und es deshalb etwa zu häufig wechselnden Begegnungen auf dem Weg in die Innenstädte bzw. in den Fußgängerzonen komme, voraussichtlich nicht zu beanstanden.

Gleichbehandlungsgrundsatz könnte dennoch verletzt sein

Offen sei gegenwärtig allerdings, ob es mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz sachlich gerechtfertigt sei, dass großflächige Einzelhandelsgeschäfte ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter reduzieren müssten, während andere nicht der Grundversorgung dienende Handelsgeschäfte auf gesamter Fläche öffnen dürften, und zudem in Shopping Malls und ähnlichen Einrichtungen viele kleine Geschäfte auf zum Teil engem Raum ihre Waren anbieten könnten. So sei etwa zweifelhaft, ob Ansammlungen privilegierter Handelsgeschäfte oder Einkaufszentren, die in Nordrhein-Westfalen vielfach außerhalb der Innenstädte anzutreffen seien, tatsächlich eine geringere Sogwirkung ausübten als Innenstädte, die sich nach ihrer Größe erheblich unterschieden. Auch sei nicht offenkundig, dass sich die bauliche Struktur eines Einkaufszentrums oder einer Shopping Mall besser eigne, die erforderlichen Hygiene- und Abstandsanforderungen einzuhalten, als dies in Fußgängerzonen oder großflächigen Einzelhandelsbetrieben der Fall sei.

Folgenabwägung geht zulasten des Warenhaus-Betreibers

Die wegen der offenen Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren erforderliche Folgenabwägung falle zulasten der Antragstellerin aus. Zwar entstünden den betroffenen Unternehmen durch das mit der Coronaschutzverordnung bezweckte Maßnahmenkonzept möglicherweise erhebliche finanzielle Einbußen. Diese Beeinträchtigungen müssten aber nach gegenwärtiger Lage gegenüber dem angestrebten Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems und dem damit verbundenen Schutz von Leib und Leben insbesondere intensivmedizinisch zu betreuender Patienten zurücktreten. Dies gelte nicht zuletzt, weil die Beeinträchtigungen durch Ausnahmeregelungen und finanzielle Hilfen abgemildert würden.

OVG Münster, Beschluss vom 29.04.2020 - 13 B 512/20.NE

Redaktion beck-aktuell, 30. April 2020.