OVG Müns­ter: Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz muss Aus­künf­te über Ak­ten­ver­nich­tung nach NSU-Skan­dal er­tei­len

Das Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz muss einem Jour­na­lis­ten be­stimm­te Aus­künf­te er­tei­len, die die­ser über das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren be­gehrt, das gegen einen Be­am­ten wegen der Ver­nich­tung von Akten nach Be­kannt­wer­den des NSU-Skan­dal ge­führt wurde. Dies hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Müns­ter durch Ur­teil vom 20.09.2018 ent­schie­den. Das OVG hat wegen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung die Re­vi­si­on zum Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt zu­ge­las­sen (Az.: 15 A 3070/15).

In­for­ma­tio­nen zum Aus­gang des Ver­fah­rens be­gehrt

Kurz nach Be­kannt­wer­den der Ge­scheh­nis­se um den NSU im No­vem­ber 2011 ver­nich­te­te ein Be­am­ter des Bun­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz ei­ni­ge der dort ge­führ­ten Akten zu V-Leu­ten in der rech­ten Szene. Aus die­sem Grund wurde gegen den Be­am­ten mit dem Tarn­na­men "Lo­thar Lin­gen" ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ge­führt. Der Klä­ger, ein Jour­na­list, be­gehrt vom Bun­des­amt Aus­kunft über das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren. Vor allem möch­te er wis­sen, wie das Ver­fah­ren aus­ge­gan­gen ist und mit wel­chem Auf­wand das Bun­des­amt die dis­zi­pli­na­ri­schen Er­mitt­lun­gen ge­führt hat. Das Ver­wal­tungs­ge­richt Köln hatte der dar­auf ge­rich­te­ten Klage des Jour­na­lis­ten weit­ge­hend ent­spro­chen.

Keine Aus­kunft zu mut­ma­ß­li­chen Mo­ti­ven

Das OVG hat jetzt auf die Be­ru­fung des Bun­des­am­tes das Ur­teil teil­wei­se ge­än­dert. Über den kon­kre­ten Aus­gang des Ver­fah­rens und die von Kol­le­gen des Be­am­ten mög­li­cher­wei­se an­ge­stell­ten Ver­mu­tun­gen über des­sen Mo­ti­ve müsse das Bun­des­amt keine Aus­kunft geben, ent­schied es. Dem­ge­gen­über seien ins­be­son­de­re In­for­ma­tio­nen zur Dauer des Er­mitt­lungs­ver­fah­rens, zum Um­fang der Er­mitt­lungs­ak­te, zur Zahl der be­frag­ten Per­so­nen und zur Frage, ob der Be­am­te ei­gen­mäch­tig ge­han­delt habe, zu er­tei­len.

Ver­sa­gen der Si­cher­heits­be­hör­den Ge­gen­stand der De­bat­te

Dem durch das Grund­recht der Pres­se­frei­heit ge­schütz­ten Be­richt­erstat­tungs­in­ter­es­se des Klä­gers und dem In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se der Öf­fent­lich­keit komme vor­lie­gend ein über­ra­gen­des Ge­wicht zu, er­läu­ter­te das OVG. In der öf­fent­li­chen Dis­kus­si­on und Be­richt­erstat­tung zu den von den Mit­glie­dern des NSU ver­üb­ten Mor­den und wei­te­ren Straf­ta­ten habe von An­fang an auch die Frage eines Ver­sa­gens der Si­cher­heits­be­hör­den brei­ten Raum ein­ge­nom­men. Ins­be­son­de­re der Vor­gang der Ak­ten­ver­nich­tung im Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz habe Mut­ma­ßun­gen be­grün­det, dass es auch auf Sei­ten des Bun­des­am­tes Fehl­ein­schät­zun­gen, Nach­läs­sig­kei­ten und Pflicht­wid­rig­kei­ten ge­ge­ben habe, ohne die der NSU-Ter­ror mög­li­cher­wei­se ein frü­he­res Ende ge­fun­den hätte. Das hier­aus re­sul­tie­ren­de öf­fent­li­che In­ter­es­se über­wie­ge mit Blick auf einen Teil der Fra­gen das Per­sön­lich­keits­in­ter­es­se des Be­am­ten und das Ver­trau­lich­keits­in­ter­es­se sei­nes Dienst­herrn, der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Dass die Dis­zi­pli­nar­vor­gän­ge in­zwi­schen gegen den Be­am­ten nicht mehr ver­wer­tet wer­den dürf­ten, stehe der Aus­kunfts­er­tei­lung im vor­lie­gen­den Ein­zel­fall nicht ent­ge­gen.

OVG Münster, Urteil vom 20.09.2018 - 15 A 3070/15

Redaktion beck-aktuell, 21. September 2018.

Mehr zum Thema