OVG Münster: ADHS im Erwachsenenalter berechtigt nicht zum Prüfungsrücktritt

Eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS-Erkrankung) im Erwachsenenalter stellt prüfungsrechtlich ein Dauerleiden dar und berechtigt deshalb nicht zum Rücktritt von Prüfungen. Das hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster entschieden (Urteil vom 07.11.2019, Az.: 14 A 2071/16).

ADHS-Erkrankter wollte nach erfolgloser Prüfung neue Prüfungschance gerichtlich erzwingen

In dem am 22.11.2019 bekannt gewordenen Fall war der im Studiengang "Bachelor of Laws" eingeschriebene Kläger nach Diagnostizierung der ADHS-Erkrankung von erfolglosen Prüfungsversuchen zurückgetreten und wollte neue Prüfungschancen gewährt bekommen. Seine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil blieb ohne Erfolg. Das OVG ist nach Einholung medizinischer Sachverständigengutachten zu dem Schluss gekommen, dass ADHS im Erwachsenenalter als Dauerleiden anzusehen ist.

Nicht heilbares Dauerleiden diagnostiziert

Ein Dauerleiden sei eine Beeinträchtigung des Gesundheitszustands, so das OVG, die die erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit trotz ärztlicher Hilfe prognostisch nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft oder doch auf unbestimmte, nicht absehbare Zeit ohne sichere Heilungschance bedinge. Dauerleiden prägten als persönlichkeitsbedingte Eigenschaften die Leistungsfähigkeit des Prüflings. Ihre Folgen bestimmten deshalb im Gegensatz zu sonstigen krankheitsbedingten Leistungsminderungen das normale Leistungsbild des Prüflings. Sie seien mithin zur Beurteilung der Befähigung bedeutsam, die durch die Prüfung festzustellen sei, so das OVG weiter. Die Erkrankung ADHS im Erwachsenenalter sei nach gegenwärtigem Forschungsstand auch nicht heilbar, auch weil die genauen Ursachen nicht bekannt seien, gab das Gericht ferner zu bedenken.

Prüfungsrechtlicher Normalzustand bei ADHS nicht erreichbar

Die erforderliche medizinische Behandlung durch monatelange Psychotherapie und gegebenenfalls zusätzlich medikamentös durch Methylphenidat sei daher nur auf den Umgang mit den Krankheitssymptomen mit dem Ziel der Verbesserung der Alltagskompetenz und der Lebensqualität gerichtet. Die angestrebte Persönlichkeitsveränderung hin zu einem prüfungsrechtlichen "Normalzustand", der als "gesund" oder jedenfalls im Wesentlichen "symptomfrei" zu bewerten sei, könne nicht hinreichend sicher erreicht werden, heißt es im Urteil weiter. Das wäre nur der Fall, wenn ein solcher Behandlungserfolg nur ausnahmsweise nicht erreichbar wäre.

Prüfungsrücktritt nur bei vorübergehender Beeinträchtigung des Prüflings

Außerdem erfordere selbst eine erfolgreiche Behandlung eine nicht absehbare Zeit. Beides schließe die Bewertung der Krankheit als eine zum Prüfungsrücktritt berechtigende Erkrankung, die nur zu einer zeitweisen Beeinträchtigung des physischen oder psychischen Zustands eines Prüflings führt, aus, so das Gericht. Der Kläger kann gegen das Urteil Revision zum Bundesverwaltungsgericht einlegen.

OVG Münster, Urteil vom 07.11.2019 - 14 A 2071/16

Redaktion beck-aktuell, 27. November 2019.

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