Teil-Lockdown: Touristisches Beherbergungsverbot in Sachsen-Anhalt bleibt vorerst bestehen
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Das während des Teil-Lockdowns in Sachsen-Anhalt geltende touristische Beherbergungsverbot hat vorerst Bestand. Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat am 04.11.2020 den Eilantrag einer großen Hotelkette auf Außervollzugsetzung der Regelung abgelehnt. Das Beherbergungsverbot sei bei derzeitiger Betrachtung eine notwendige und verhältnismäßige Schutzmaßnahme im Sinne des Infektionsschutzgesetzes.

Eilrechtsschutz gegen touristisches Beherbergungsverbot begehrt

Eine große Hotelkette begehrte die Außervollzugsetzung des touristischen Beherbergungsverbots sowie weiterer Regelungen der Achten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus (8. SARS-CoV-2-EindV). Die weiteren Regelungen betreffen die Untersagung von Veranstaltungen und Versammlungen, die Schließung von Gaststätten für den Publikumsverkehr und die Untersagung des Sportbetriebs auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen sowie Schwimmbädern bis zum 30.11.2020. 

OVG: Keine Außervollzugsetzung 

Das OVG habe es zwar als offen angesehen, ob die Regelungen der Achten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus (8. SARS-CoV-2-EindV) dem Parlamentsvorbehalt gerecht werden. Bei derart offenen Erfolgsaussichten habe aber eine Folgenabwägung stattzufinden. Danach sei eine Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht dringend erforderlich.

Beherbergungsverbot verhältnismäßig

Das touristische Beherbergungsverbot wie auch die übrigen Maßnahmen (Untersagung des Veranstaltungswesens, Schließung der Gastronomie und der Sportstätten) seien bei derzeitiger (summarischer) Betrachtung eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des Infektionsschutzgesetzes. Der mit dieser Maßnahme in erster Linie verbundene Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Betreiber von Beherbergungsbetrieben und die von Art. 14 GG geschützte Eigentumsgarantie genüge dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn es sei legitimes Ziel der Maßnahme, den exponentiellen Anstieg des Infektionsgeschehens (insgesamt) durch Kontaktreduzierung zu stoppen, um eine Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Weiter Entscheidungsspielraums des Verordnungsgebers

Die Schutzrichtung des Verordnungsgebers umfasse dabei nicht nur Risikogruppen, deren Gesundheitsgefährdung durch das Corana-Virus als sehr hoch eingeschätzt wird, sondern nehme die als insgesamt hoch eingeschätzte Gefährdung für die Gesundheit der gesamten Bevölkerung in Deutschland in den Blick. Angesichts des weiten Entscheidungsspielraums des Verordnungsgebers sei es nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber mit seinem Einschreiten nicht nur Risikogruppen betrachte und nicht allein diesen in besonderem Maße Schutz zu teil werden lasse beziehungsweise nur insoweit auf das Infektionsgeschehen Einfluss nehme.

Virusübertragungen in Beherbergungsbetrieben nicht ausgeschlossen

Auch wenn zutreffend sei, dass nach Erkenntnissen des Robert-Koch-Instituts das Beherbergungsgewerbe nicht zum Treiber der Pandemie zähle, seien auch nach den Statistiken des Robert-Koch-Institutes die Ansteckungsumstände im Bundesdurchschnitt in mehr als 75% der Fälle zwischenzeitlich unklar. Insofern sei nicht ausgeschlossen, dass es auch in Beherbergungsbetrieben zu Virusübertragungen komme.

Beherbergungsverbot zielt auf Kontaktreduzierung

Im Übrigen ziele das Beherbergungsverbot auch nicht vordringlich darauf ab, Infektionen gerade in den betroffenen Unterkünften zu unterbinden. Vielmehr diene es dem Zweck, durch Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung insgesamt das Infektionsgeschehen aufzuhalten und die Zahl der Neuinfektionen wieder in die nachverfolgbare Größenordnung von unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche zu senken. Die Unterbindung touristischer Beherbergungen wirke massiv auf die Bewegungsströme der Gäste ein.

Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten 

Sie sorge dafür, dass die Zahl der touristischen Aufenthalte und die damit im Zusammenhang stehenden Sozialkontakte (Reiseweg, Aufenthalt am Ort und im Beherbergungsbetrieb, touristische Nutzung öffentlicher Angebote) reduziert würden und diene damit auch der Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten. Den mit touristischen Aufenthalten verbundenen Risiken aufgrund der Vielzahl von Kontaktmöglichkeiten könne allein durch die Anwendung auch konsequenter Abstands- und Hygieneregeln innerhalb der Beherbergungsbetriebe nicht wirksam begegnet werden.

Milderung durch Corona-Hilfen für betroffene Unternehmen

Zudem werde der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit und das Eigentumsrecht der Betreiber von Beherbergungsbetrieben dadurch gemildert, dass "Neue Corona-Hilfen für betroffene Unternehmen", die von der zielgerichteten, zeitlich befristeten Maßnahme, dem "Teil-Lockdown" betroffen seien, geschaffen wurden, die über die bestehenden bisherigen Unterstützungsprogramme deutlich hinausgingen.

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.11.2020 - 3 R 218/20

Redaktion beck-aktuell, 4. November 2020.