Unterricht in Sachsen-Anhalt auch ohne Mindestabstand erlaubt

Schüler dürfen in Sachsen-Anhalt auch ohne den allgemein geltenden coronabedingten Mindestabstand unterrichtet werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht in Magdeburg am 15.06.2020 entschieden. Es wies den Antrag eines Grundschullehrers ab, der gegen die Aufweichung des Abstandsgebots geklagt hatte. Nach Einschätzung des Gerichts verletzen die geltenden Regelungen nicht die staatliche Pflicht zum Schutz der Gesundheit der betroffenen Lehrer sowie Schüler.

Beschulung im Wechselmodell

Für die meisten Jahrgänge gilt in Sachsen-Anhalt derzeit ein Wechselmodell. Die Klassen werden in kleine Gruppen aufgeteilt und lernen abwechselnd zuhause und in der Schule. So soll der Mindestabstand eingehalten werden, um eine neuerliche Verbreitung des Coronavirus zu verhindern. Die Grundschulen sind aber wieder zum täglichen Unterricht übergegangen. Die Kinder lernen in voller Klassenstärke, dafür mit einer festen Lehrkraft. In diesem Fall darf der Mindestabstand von 1,50 Metern unterschritten werden. Als Vorsichtsmaßnahme werden die Klassen strikt voneinander getrennt.

Spielraum für Landesregierung bei Handhabung verschiedener Maßnahmen

§ 15 der 6. SARS-CoV-2-EindV regelt die schrittweise Öffnung von allgemeinbildenden Schulen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 kann, soweit für den Schulbetrieb erforderlich, von der Einhaltung des allgemein geltenden Mindestabstands von 1,50 Metern abgewichen werden. Die Regelung über die Abweichung vom Mindestabstand verletze nicht die staatliche Pflicht zum Schutz der Gesundheit der betroffenen Lehrer und Schüler, so das OVG. Auch wenn die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland noch als hoch einzuschätzen sei, bewegten sich die Infektionszahlen in Sachsen-Anhalt fortdauernd auf niedrigem Niveau im Vergleich zu anderen Bundesländern. Die Landesregierung sei aufgrund ihres gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Einschätzungs- und Prognosespielraums berechtigt, den Katalog von Maßnahmen zur Eindämmung des Virus fortwährend anzupassen und nicht mehr für notwendig erachtete Schutzmaßnahmen zurückzunehmen.

Keine konkrete Gefährdung

Eine konkrete Gefährdung von Schülern und Lehrkräften bei Unterschreitung des Mindestabstands von 1,50 Metern sei bislang wissenschaftlich nicht eindeutig erwiesen. Auch die jüngsten Infektionsfälle in der Landeshauptstadt Magdeburg, die zu Schließungen mehrerer allgemeinbildender Schulen und Jugendeinrichtungen geführt hätten, begründeten keine landesweite Pflicht zur Einhaltung der Abstandsregeln. Die Fälle hätten gezeigt, dass die zuständige Infektionsschutzbehörde den für Schüler und Lehrkräfte bestehenden Gefahren zügig durch Maßnahmen vor Ort begegne. Die staatliche Schutzpflicht sei zudem durch das Recht der Kinder auf Bildung und den Schutz von Familien beschränkt. 

Infektionsgefahr muss nicht vollständig ausgeschlossen werden

Ein Gesundheitsschutz für Lehrkräfte und Schüler, der die Infektionsgefahr vollständig ausschließe, sei nicht zu verlangen. Die Landeregierung habe bei der Entscheidung zur Umsetzung der Regelbeschulung mit ihrem Maßnahmenbündel (u.a. Nachverfolgbarkeit der Infektionsketten durch Unterricht im festen Klassenverband, Hygienehinweise, ausreichende Lüftung, Befreiung vom Präsenzunterricht, Reinigungsverhalten nach Hygiene- und Reinigungsplänen) den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten. Die Entscheidung des Verordnungsgebers, Schulen teilweise vom Schutzkonzept der 6. SAR-CoV-2-EindV auszunehmen, sei willkürfrei und verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Lebensbereichen sei gerechtfertigt.

Bildungsminister: Urteil schafft Klarheit für Schulen und Eltern

Bildungsminister Marco Tullner (CDU) zeigte sich erfreut über die Entscheidung. Das Ergebnis schaffe Rechtssicherheit für alle Schulen und Eltern, aber vor allem sichere es den Weg für Schüler zurück in die Schulen. "Das Urteil bestärkt uns auf dem eingeschlagenen Weg.“

OVG Magdeburg, Beschluss vom 15.06.2020 - 3 R 111/20

Redaktion beck-aktuell, 16. Juni 2020 (dpa).