Vorläufig kein 2-G-Plus bei körpernahen Dienstleistungen in Niedersachsen
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Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat das in Niedersachsen ab einer bestimmten Warnstufe bei körpernahen Dienstleistungen geltende 2-G-Plus-Erfordernis vorläufig außer Vollzug gesetzt. Der Komplettausschluss Ungeimpfter sei unangemessen, da er grundlegende Bedürfnisse nach diesen Dienstleistungen nicht genügend berücksichtige. Das  2-G-Plus-Erfordernis etwa in Theatern, Kinos und Diskotheken bestätigte das OVG hingegen.

2-G-Plus-Erfordernis etwa in kulturellen Einrichtungen

In Niedersachsen gilt ab einer Warnstufe 2 in verschiedenen Einrichtungen 2-G-Plus. In den drei Normenkontrolleilverfahren wandten sich verschiedene Antragsteller gegen das 2-G-Plus-Erfordernis unter anderem in Theatern, Kinos und Spielhallen (§ 8 Abs. 2 und 6 Satz 1 Niedersächsische Corona-Verordnung, NdsCOVVO), sowie in Diskotheken (§ 12 Abs. 2 Satz 2 NdsCOVVO) und Sportanlagen in geschlossenen Räumen (§ 8b Abs. 4 Satz 1 NdsCOVVO). In einem der Verfahren wurde zudem das 2-G-Plus-Erfordernis bei körpernahen Dienstleistungen (§ 8a Abs. 4 Satz 1 HS 1 NdsCOVVO) beanstandet. Ferner monierten die Antragsteller ergänzende Betriebsbeschränkungen, wie die Pflicht zum Tragen einer FFP-2-Maske und Kapazitätsbeschränkungen. 

OVG: Ausschluss Ungeimpfter wegen höheren Infektionsrisikos gerechtfertigt

Das OVG hat die Normenkontrolleilanträge, mit Ausnahme des Antrags gegen das 2-G-Plus-Erfordernis bei körpernahen Dienstleistungen, abgelehnt. Die insoweit angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen seien voraussichtlich rechtmäßig. In Bezug auf das System der Warnstufen, Wertebereiche und Schwellenwerte der §§ 2 und 3 NdsCOVVO bestehe zwar weiterer Klärungsbedarf. Mangels Entscheidungserheblichkeit für die konkreten Verfahren sei dieser aber zunächst zurückgestellt. Angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens im Land Niedersachsen dürften Ungeimpfte derzeit vom Zugang zu den genannten Einrichtungen und Anlagen ausgeschlossen werden. Primäres Ziel dieses Ausschlusses müsse es sein, eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu verhindern. Dieses Ziel könne mit dem Ausschluss Ungeimpfter von den genannten Anlagen und Einrichtungen derzeit angemessen erreicht werden. Denn die Benutzung dieser Anlagen und Einrichtungen sei regelmäßig mit einem signifikant erhöhten Infektionsrisiko verbunden, das sich gerade bei den Ungeimpften auch tatsächlich realisiere. Die ganz offensichtlich unterschiedlichen Beiträge zum Infektionsgeschehen und zur Belastung des öffentlichen Gesundheitssystems einerseits Ungeimpfter und andererseits Geimpfter und Genesener vermittelten einen rechtfertigenden sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung.

Testobliegenheit für Geimpfte und Genesene ebenfalls gerechtfertigt

Darüber hinaus sei auch die zusätzliche Testobliegenheit für Geimpfte und Genesene, das "Plus" in der 2-G-Plus-Regelung, derzeit gerechtfertigt, um in den hier beurteilten Fallgestaltungen mit einem signifikant erhöhten Infektionsrisiko durchaus bestehende (Rest-)Risiken der Infektionsverbreitung auch durch diese Personengruppen weiter zu reduzieren.

2-G-Plus bei körpernahen Dienstleistungen aber unangemessen

Der Antrag gegen die Anwendung der 2-G-Plus-Regelung bei der Entgegennahme einer Dienstleistung eines Betriebs der körpernahen Dienstleistung (§ 8a Abs. 4 Satz 1 HS 1 Corona-VO) hatte hingegen Erfolg. Der Senat hat die Bestimmung mit sofortiger Wirkung vorläufig außer Vollzug gesetzt. Der mit der 2-G-(Plus)Regelung verbundene vollständige Ausschluss Ungeimpfter von allen körpernahen Dienstleistungen sei unangemessen und unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens in Niedersachsen keine notwendige Schutzmaßnahme. Das Infektionsrisiko bei der Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen sei regelmäßig auf nur wenige gleichzeitig anwesende Personen beschränkt und könne durch Basisschutzmaßnahmen (bspw. FFP-2-Maske, Testnachweis und Kontaktdatenerfassung) deutlich reduziert werden. Der vollständige Ausschluss Ungeimpfter von allen körpernahen Dienstleistungen berücksichtige grundlegende Bedürfnisse nach einzelnen dieser Dienstleistungen gar nicht, jedenfalls aber mit der allein vorgesehenen Ausnahme für "medizinisch notwendige körpernahe Dienstleistungen" nicht ausreichend.

Maskenpflicht, Kontaktdatenerhebung und Hygienekonzept bis Neuregelung

Der Zugang zu körpernahen Dienstleistungen, die körperpflegerische Grundbedarfe befriedigten (etwa Friseur und Fußpflege), dürfe derzeit auch für Ungeimpfte nicht vollständig verschlossen werden. Bis zu einer Neuregelung der Zugangsbeschränkungen bei der Entgegennahme einer Dienstleistung eines Betriebs der körpernahen Dienstleistung gölten die Pflichten zum Tragen einer Maske des Schutzniveaus FFP2 oder ähnlichem, zur Kontaktdatenerhebung und -dokumentation und zur Erstellung und Umsetzung eines Hygienekonzepts. Die Außervollzugsetzung der sogenannten 2-G-Plus-Regelung bei körpernahen Dienstleistungen wirkt nicht nur zugunsten des Antragstellers in dem einzelnen Verfahren. Sie ist vielmehr allgemeinverbindlich.

Redaktion beck-aktuell, 10. Dezember 2021.