Verschärfte Kontaktbeschränkungen haben in Niedersachsen vorerst Bestand

In Niedersachsen bleiben die wegen Corona verschärften Kontaktbeschränkungen vorerst bestehen. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat einen Eilantrag auf Außervollzugsetzung der entsprechenden Regelungen nach Folgenabwägung abgelehnt. Zwar sei die Verschärfung wohl punktuell unangemessen, soweit sie von sozialer Teilhabe ausgrenze. Ausschlaggebend sei aber die Bedeutung der Kontaktbeschränkungen für die Pandemiebekämpfung.

Normenkontrolleilantrag gegen verschärfte Kontaktbeschränkungen

Im Januar 2021 wurden die Kontaktbeschränkungen für den öffentlichen und privaten Raum in der niedersächsischen Corona-Verordnung gegenüber der Vorgängerregelung verschärft. Nunmehr ist es grundsätzlich nur noch gestattet, dass sich ein Hausstand mit einer weiteren Person in der Öffentlichkeit aufhält oder eine entsprechende private Zusammenkunft oder Feier stattfindet, während es vorher eine Beschränkung auf fünf Personen aus zwei Haushalten gab. Bei der jetzigen Regelung sind - anders als zuvor - auch Kinder jeden Alters von der Beschränkung erfasst. Gegen diese Verschärfung wandte sich ein Ehepaar mit einem Normenkontrolleilantrag. Die Antragsteller machten geltend, die Verschärfung der Kontaktbeschränkung ohne jede Ausnahme für Familien verletze sie in ihrem Grundrecht aus Art. 6 GG. Es werde ihnen unmöglich gemacht, ihren vier erwachsenen, in eigenen Hausständen lebenden Kindern gleichzeitig die gebotene Hilfe und Unterstützung zu gewähren.

OVG: Gesundheitsschutz legitimes Ziel

Das OVG hat den Antrag nach Vornahme einer Folgenabwägung abgelehnt. Zwar sei es zweifelhaft, ob die Verschärfung der Kontaktbeschränkungen auf grundsätzlich nur noch eine hausstandsfremde Person eine notwendige Schutzmaßnahme darstelle. Allerdings ergebe eine Folgeabwägung, dass die insoweit bestehenden Zweifel eine umfassende Außervollzugsetzung der Bestimmungen nicht rechtfertigen. Die Verschärfung diene dem Gesundheitsschutz und solle vor einer Überlastung des Gesundheitssystems schützen. Sie verfolge damit legitime Ziele. Der Verordnungsgeber habe die Verschärfung unter Berücksichtigung des ihm zukommenden Einschätzungsspielraums auch noch für erforderlich halten dürfen. In privaten Haushalten komme es zu Corona-Ausbrüchen. Die zuvor verordnete Beschränkung auf insgesamt nicht mehr als fünf Personen (zuzüglich Kindern bis 14 Jahren) habe der Verordnungsgeber angesichts weiterhin hoher Infektionszahlen als unzureichend ansehen dürfen. Mildere, aber in ihrer Wirkung gleich effektive Mittel, die auch die Allgemeinheit oder Dritte nicht stärker belasteten, hätten sich nicht aufgedrängt.

Verschärfung grundsätzlich angemessen

Die Verschärfung könne, auch wenn sie die Intensität der Eingriffe in die Grundrechte aus Art. 6 GG und Art. 2 Abs. 1 GG deutlich erhöhe, grundsätzlich noch als angemessener Ausgleich zwischen den Grundrechten der Betroffenen und den legitimen Zielen des Verordnungsgebers angesehen werden. Die Kontaktbeschränkung schreibe nach wie vor nicht vor, wie in einem Hausstand lebende Personen ihren Alltag gestalten dürften. Die Betroffenen seien auch nach der Verschärfung nicht gehindert, sich mit jeder beliebigen Person ohne Einhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen individuell privat zu treffen. Als Alternativen für die Zusammenkunft mit mehreren Personen stünden die jederzeit möglichen Kontaktaufnahmen über Fernkommunikationsmittel zur Verfügung. Bestehe für eine Person ein dringender besonderer Anlass, eine größere Anzahl hausstandsfremder Personen zu treffen, so könne dies jedenfalls nacheinander erfolgen.

Wohl keine Angemessenheit mehr bei Ausgrenzung von sozialer Teilhabe

Erhebliche Zweifel an der Angemessenheit der Verschärfung bestünden aber zum einen dort, wo die Kontaktbeschränkung den von ihr Betroffenen die Teilhabe am sozialen Leben in der Gemeinschaft vollständig unmöglich mache oder unzumutbar erschwere, zum anderen, wo tatsächlich bestehende familiäre Strukturen nicht angemessen berücksichtigt würden. Zwar habe der Verordnungsgeber diese Problematik erkannt, er habe sie aber für einzelne Fallgestaltungen nur unzureichend gelöst. So seien erforderliche Ausnahmen für Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit geregelt worden. Nicht geregelt habe der Verordnungsgeber indes die Fallgestaltungen, in denen etwa kleinen Kindern eine soziale Teilhabe nur mittels einer Begleitperson möglich sei. Nach der Verschärfung sei es etwa ausgeschlossen, dass ein kleines Kind, das zwingend auf die Begleitung durch jedenfalls ein Elternteil angewiesen sei, die in einem anderen Hausstand lebenden Angehörigen oder Dritten gemeinsam jedenfalls mit dem es begleitenden Elternteil aufsuche oder sich mit diesen gemeinsam in der Öffentlichkeit aufhalte. Dies grenze dieses kleine Kind von jedweder sozialen Teilhabe aus. Diese Ausgrenzung dürfte auch angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens unangemessen sein.

Wegen nur punktueller Unangemessenheit Außervollzugsetzung unangebracht

Das OVG hat nach Vornahme einer Folgenabwägung gleichwohl eine Außervollzugsetzung der Verschärfung der Kontaktbeschränkungen abgelehnt. Dabei hat es berücksichtigt, dass die Verschärfungen, deren Angemessenheit zweifelhaft sei, die Antragsteller selbst nicht beträfen und der Verordnungsgeber insoweit bereits eine Änderung der Verordnungsregelungen in Aussicht gestellt habe. Jedenfalls ergebe die Folgeabwägung, dass eine Außervollzugsetzung, die umfassend und allgemeingültig wirken würde, im Hinblick auf die lediglich für einzelne Fallgestaltungen unzureichende Ausgestaltung der Kontaktbeschränkung nicht angezeigt sei. Hierbei sei mit einzustellen, dass es sich bei den in weit überwiegendem Maße rechtmäßigen Kontaktbeschränkungen um einen zentralen und wichtigen Baustein in der komplexen Pandemiebekämpfungsstrategie handele.

Redaktion beck-aktuell, 19. Januar 2021.