OVG Lüneburg verneint Außervollzugsetzung der Maskenpflicht beim Einkauf und im ÖPNV

Der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der Pflicht aus § 9 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17.04.2020 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 24.04.2020, beim Besuch von Verkaufsstätten des Einzelhandels sowie in Verkehrsmitteln und Einrichtungen des öffentlichen Personenverkehrs eine textile Barriere als Mund-Nasen-Bedeckung ("Maske") zu tragen, bleibt erfolglos. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat diesen mit Beschluss vom 05.05.2020 abgelehnt (Az.: 13 MN 119/20, BeckRS 2020, 7364).

Antragstellerin fühlt sich in Grundrechten verletzt

Die Antragstellerin hatte sich mit dem Normenkontrolleilantrag gegen die in Niedersachsen seit dem 27.04.2020 geltende Maskenpflicht gewandt und argumentiert, diese greife unverhältnismäßig in ihre Grundrechte aus Art. 2 GG, insbesondere in die allgemeine Handlungsfreiheit, in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf körperliche Unversehrtheit ein.

Wirksamer Infektionsschutz durch Maske möglich

Der Senat hat jetzt den Antrag aufgrund einer Folgenabwägung abgelehnt. Die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gegen die genannte Verordnungsbestimmung gestellten Normenkontrollantrags (Az.: 13 KN 118/20) seien als offen anzusehen. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lasse sich nicht verlässlich feststellen, dass die Verpflichtung, in Verkaufsstätten des Einzelhandels und im Personenverkehr eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, eine objektiv notwendige Schutzmaßnahme im Sinn der §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 32 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) darstelle. Nach fachlichen Einschätzungen, unter anderem des Robert Koch-Instituts in Berlin, sei zwar nicht zu leugnen, dass eine Mund-Nasen-Bedeckung filternde Wirkung auf die Ausatemluft haben könne, indem diese vorhandene Tröpfchen und Partikel teilweise zurückhalte oder jedenfalls deren Austrittsgeschwindigkeit und damit den Ausbreitungsradius verringere. Abhängig vom Wirkungsgrad der Mund-Nasen-Bedeckung und der Zahl der eine solche Maske tragenden Personen könne durchaus eine Maßnahme vorliegen, die den Schutz Fremder vor einer Infektion mit dem Corona-Virus (SARS-CoV-2) verbessere.

Weitere Aufklärung erforderlich

Jedoch seien die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Schutzmaßnahme nicht ohne Weiteres festzustellen. Der Wirkungsgrad einer von § 9 Abs. 2 der Verordnung mit nur minimalen Anforderungen vorgegebenen Mund-Nasen-Bedeckung im Allgemeinen bedürfe ebenso wie die Frage, ob die Maske in den von § 9 Abs. 1 der Verordnung bestimmten Fallgestaltungen im Einzelhandel und im Personenverkehr überhaupt ihre Wirkung entfalten könne, wenn in diesen Situationen eine Unterschreitung des ebenfalls vorgeschriebenen Mindestabstands von 1,5 Meter zueinander nicht unwahrscheinlich sei, weiterer Aufklärung.

Folgenabwägung: Schutzmöglichkeit bliebe bei Aussetzung irreversibel ungenutzt

Im Rahmen der danach gebotenen Folgenabwägung überwögen die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für eine einstweilige Außervollzugsetzung nicht die für den weiteren Vollzug der (zunächst nur) bis zum 06.05.2020 angeordneten Maskenpflicht sprechenden Gründe. Erginge die begehrte einstweilige Anordnung, bliebe der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg, könnte die Antragstellerin zwar vorübergehend die mit der Maßnahme verbundenen persönlichen Belastungen vermeiden. Die Möglichkeit, die Verbreitung der Infektionskrankheit COVID-19 zum Schutze der überragend wichtigen Gesundheit der Bevölkerung mit einer geeigneten und erforderlichen Maßnahme effektiver zu verhindern, bliebe jedoch irreversibel ungenutzt.

Maßnahme mit geringem Aufwand

Unterbliebe hingegen eine einstweilige Anordnung, hätte der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg, wäre die Antragstellerin vorübergehend – wenn auch verfestigt – zu Unrecht zur Befolgung einer Schutzmaßnahme verpflichtet. Die Schutzmaßnahme sei aber angesichts der Minimalanforderungen aus § 9 Abs. 2 der Verordnung regelmäßig mit nur geringem Aufwand verbunden und belasse eine hinreichende Selbstbestimmung über den hygienischen Zustand der eigenen Mund-Nasen-Bedeckung. Bei gesundheitlich begründeten Hindernissen sehe § 9 Abs. 3 der Verordnung eine Ausnahme von der Verpflichtung vor, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Insgesamt sei daher der Grundrechtseingriff von geringem Gewicht. Die Folgenabwägung ergebe, dass er vorübergehend hingenommen werden müsse. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Redaktion beck-aktuell, 7. Mai 2020.