Steinhuder Meer: Naturschutzgebietsverordnung "Totes Moor" teilweise unwirksam

Die für einen Bereich um das Steinhuder Meer in der Region Hannover geltende "Naturschutzgebietsverordnung Totes Moor" ist unwirksam, soweit sie ein weitreichendes Verbot zur Nutzung des Luftraums vorsieht. Dies hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg mit Urteilen vom 19.10.2021 entschieden und damit Normenkontrollanträgen von Freizeitsportlern teilweise stattgegeben.

Naturschutzgebietsverordnung "Totes Moor"

Die von der Region Hannover erlassene Naturschutzgebietsverordnung "Totes Moor" (NSG-HA 154) bezieht sich auf ein 3.179 Hektar großes Gebiet, das Landflächen östlich und nordöstlich des Steinhuder Meeres sowie den Uferbereich und 10% der Wasserflächen des Steinhuder Meeres umfasst. Etwa die Hälfte des von der Verordnung unter Schutz gestellten Gebiets ist zugleich ein Europäisches Schutzgebiet nach der Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union.

Freizeitsportler klagten

Die Antragsteller in dem Verfahren 4 KN 292/16 bieten von Startplätzen in der Nähe des Steinhuder Meeres gegen Entgelt Ballonfahrten an. Sie wandten sich gegen ein in der Verordnung enthaltenes Verbot, das unter anderem Flugbeschränkungen für bemannte Luftfahrzeuge regelt. In den anderen beiden Verfahren hatten sich ein seit 1906 am Steinhuder Meer aktiver Segelverein (Az.: 4 KN 190/17) und ein Mitglied dieses Vereins (Az.: 4 KN 174/17), der auch Eigentümer von Flächen im Naturschutzgebiet ist, gegen die gesamte Verordnung gewandt. Ihnen ging es unter anderem um das Verbot, die Wasserfläche im Verordnungsgebiet zu befahren.

Normenkotrollanträge hatten teilweise Erfolg

Das OVG hat den Normenkontrollanträgen teilweise stattgegeben. Die in der Naturschutzgebietsverordnung geregelten Flugbeschränkungen seien nicht zu beanstanden, soweit das Europäische Vogelschutzgebiet betroffen sei. Das Verbot sei insoweit erforderlich zum Schutz von ganzjährig im Gebiet anzutreffenden störempfindlichen Wasser- und Zugvogelarten, deren Schutz in dem Europäischen Vogelschutzgebiet gerade bezweckt sei.

Bund für weitreichendes Flugverbot zuständig

Für den Teil des Naturschutzgebiets, der nicht zugleich Europäisches Vogelschutzgebiet sei, sei das Flugverbot unwirksam, soweit es für den Luftraum oberhalb einer Flughöhe von 150 Meter über dem Boden oder Wasser gelte. Der Region Hannover als Naturschutzbehörde fehle außerhalb des Anwendungsbereichs des Europäischen Vogel- und Habitatschutzrechts die Befugnis, ein so weitreichendes Verbot zur Nutzung des Luftraums zu regeln. Dies dürfe nur das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, das auf der Grundlage des Luftverkehrsrechts über einem Naturschutzgebiet ein Flugbeschränkungsgebiet festsetzen könne.

Verbotszone war nicht zeichnerisch ausgewiesen

Das Flugverbot sei auch unwirksam, soweit es auch auf eine Zone von 500 Meter Breite außerhalb des Naturschutzgebiets ausgeweitet worden war. Insoweit habe es an der durch das Niedersächsische Landesnaturschutzrecht zwingend vorgeschriebenen zeichnerischen Darstellung der Verbotszone in den zur Naturschutzgebietsverordnung gehörenden Karten gefehlt. Im Ergebnis bedeute dies, dass bei einem Überflug des Gebiets auf der Hälfte der Fläche eine Mindestflughöhe von 150 Meter und in den anderen Bereichen eine Mindestflughöhe von 600 Meter gelte.

Wassersportbeschränkungen nicht zu beanstanden

Ansonsten sei die Naturschutzgebietsverordnung nicht zu beanstanden. Das gelte auch, soweit die Region Hannover einen Teil der Wasserfläche des Steinhuder Meeres in das Naturschutzgebiet einbezogen und dadurch bewirkt habe, dass dieser Teil des Sees nicht mehr für den Wassersport genutzt werden dürfe. Die Ausweitung der unter Naturschutz gestellten Wasserfläche sei erforderlich gewesen zum Schutz von störempfindlichen Wasservögeln, die sich ganzjährig am Ostufer des Steinhuder Meeres und den vorgelagerten Flachwasserbereichen und Sandbänken aufhalten.

OVG Lüneburg, Urteil vom 19.10.2021 - 4 KN 292/16

Redaktion beck-aktuell, 21. Oktober 2021.