"Reichsbürgertypisches" Verhalten rechtfertigt Amtsenthebung

Wegen seines "reichsbürgertypischen" Verhaltens im Rechtsverkehr ist ein Kriminalhauptkommissar aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden. Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in Lüneburg hat diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover jetzt bestätigt. In dem Verhalten des Beamten liege ein schweres Dienstvergehen, das den Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme rechtfertige. Er habe unter anderem die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland geleugnet.

Existenz und Legitimation der Bundesrepublik geleugnet

Durch das Leugnen der rechtlichen Existenz der Bundesrepublik im Sinne der sogenannten Reichsbürgerideologie habe er schuldhaft gegen seine Verfassungstreuepflicht gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen. So habe er bei dem für ihn zuständigen Landkreis die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises beantragt und dabei als Geburtsstaat "Preußen" angegeben. Nachdem er den Ausweis über seine deutsche Staatsangehörigkeit erhalten hatte, habe er seinen Personalausweis mit dem Hinweis abgegeben, diesen nicht mehr zu benötigen. Ferner teilte er dem Landkreis mit, dass bei dem erhaltenen Staatsangehörigkeitsausweis der Hinweis auf "§ 4 Abs. 1 (Ru)StaG, Stand: 1913" als die aus seiner Sicht maßgebliche gesetzliche Grundlage fehle. Mit diesem "reichsbürgertypischen" Verhalten habe der Beamte, so das OVG, im Rechtsverkehr gegenüber staatlichen Behörden objektiv zum Ausdruck gebracht, vom Fortbestehen des Staates/Königreichs Preußen auszugehen und damit die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt, wie dies gemeinsames Charakteristikum des Personenkreises der "Reichsbürger" sei.

Verbreitung von Verschwörungstheorien

Außerdem habe der Beamte während seiner Freizeit in öffentlichen Redebeiträgen und gegenüber Bekannten, aber auch während des Dienstes gegenüber Kollegen und Bürgern, Verschwörungstheorien verbreitet. So habe er etwa darüber berichtet, dass es eine Oberschicht von Reichen und Schönen gebe, die aus dem Blut von Kindern ein "Junggebliebenelixier" gewönnen, dass es getarnte Militäraktionen auf deutschem Boden oder "geheime Bunker" gebe, in denen Migranten "ausgebildet" würden, um "irgendwann gegen das deutsche Volk aufzubegehren", und dass die Corona-Impfungen dem Implantieren von Chips dienten, damit der Multimilliardär Bill Gates die totale Kontrolle über die Weltbevölkerung erlangen könne. Durch dieses Verhalten habe er laut OVG schuldhaft gegen seine beamtenrechtliche Pflicht verstoßen, dass sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordere (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG).

Staatliche Institutionen und Organe verunglimpft

Die betreffenden Meinungsäußerungen verlassen laut OVG in ihrem jeweiligen Kontext den Bereich sachlicher Kritik und damit die Grenze dessen, was im Interesse eines störungsfreien Dienstbetriebs noch hingenommen werden könne. Dies gelte gleichermaßen für seine in öffentlichen Redebeiträgen geäußerten Ansichten wie beispielsweise, dass staatliches Handeln im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen mit dem Handeln während des NS-Regimes gleichzusetzen sei, dass sich Polizisten wie "gekaufte Söldner" verhalten hätten, dass es in der Bundesrepublik Deutschland keine Demokratie und keinen Rechtsstaat mehr gebe, sowie, dass Wahlen und Gerichtsentscheidungen "wunschgemäß verändert" würden. In dieser Verunglimpfung staatlicher Institutionen und Organe sei eine weitere schuldhafte Verletzung seiner beamtenrechtlichen Wohlverhaltenspflicht zu sehen, so die Lüneburger Richter.

Position als Kriminalbeamter ausgenutzt

Das von dem Kriminalhauptkommissar begangene einheitliche Dienstvergehen wiegt laut OVG schwer und rechtfertigt seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Denn er habe wiederholt seine Kernpflichten als Beamter verletzt, indem er sich aktiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Grundgesetzes gewandt habe, zu deren Wahrung und Verteidigung er sich als Beamter gerade verpflichtet hatte. Hinzu komme, dass er als Kriminalbeamter gegenüber der Öffentlichkeit in besonders augenfälliger Weise die Staatsgewalt repräsentiere, seine Äußerungen im Rahmen öffentlicher Auftritte gerade darauf angelegt gewesen seien, einen hohen Verbreitungsgrad zu erlangen und er dabei seine dienstliche Position als Kriminalbeamter betont habe, um seinen Behauptungen ein stärkeres Gewicht zu verleihen. Die Entscheidung ist laut OVG mit ihrer Verkündung rechtskräftig geworden.

Redaktion beck-aktuell, Gitta Kharraz, 15. März 2023.