Kein Flüchtlingsschutz für Wehrdienstentzieher aus Syrien

Syrischen Asylbewerbern ist nicht allein deshalb die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, weil sie aus Furcht davor, zum (Reserve-)Militärdienst in die syrische Armee eingezogen zu werden, aus ihrem Heimatland ausgereist sind. Dies hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht am Donnerstag mit zwei Urteilen klargestellt und zugleich seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

VG gingen von weitergehendem Flüchtlingsschutz aus

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte den Klägern der zwei Berufungsverfahren wegen des in Syrien herrschenden Bürgerkriegs subsidiären Schutz gewährt. Die Verwaltungsgerichte Osnabrück und Oldenburg hatten ihnen demgegenüber auf ihre Klagen den weitergehenden Flüchtlingsschutz zuerkannt.

Bisherige Rechtsprechung bestätigt

Auf die Berufungen der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BAMF, hat der Senat diese Urteile nunmehr geändert und die auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gerichteten Klagen jeweils abgewiesen. Damit hat er zugleich seine bisherige Rechtsprechung (BeckRS 2017, 118678) auch unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom November 2020 (BeckRS 2020, 31285) bestätigt. Zur Begründung hat das OVG im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der aktuellen Erkenntnislage davon auszugehen sei, dass die bloße Wehrdienstentziehung ohne risikoerhöhende Umstände nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgung aus politischen Gründen in Syrien führe. Die syrische Armee rekrutiere zwar angesichts des bestehenden Personalbedarfs auch weiterhin wehrdienstpflichtige Männer, das syrische Regime unterstelle aber nicht jedem Wehrdienstentzieher eine oppositionelle Gesinnung.

Im Regelfall droht Einziehung zum Militärdienst

Dagegen spreche zunächst die Behandlung, die Wehrdienstentzieher in Syrien im Vergleich zu den Personen drohe, die sich tatsächlich politisch gegen das Regime betätigt hätten oder von diesem als Regimegegner angesehen würden. Während ersterer Gruppe im Regelfall lediglich die Einziehung zum Militärdienst drohe, hätten die Angehörigen der zweiten Gruppe vielfach mit Haft, Folter und sogar dem Tod zu rechnen. Zum anderen könnten sich Wehrpflichtige, die sich im Ausland aufhalten, durch Zahlung eines Wehrersatzgeldes vom Wehrdienst freikaufen. Der Entscheidung des Senats liegt außerdem die Einschätzung zugrunde, dass mit der Ableistung des Wehrdienstes für einen nach Syrien zurückkehrenden Wehrpflichtigen bei Auswertung der aktuellen Erkenntnislage nicht zwangsläufig oder sehr wahrscheinlich die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an Kriegsverbrechen verbunden wäre.

Oberverwaltungsgerichte bislang uneins

Das OVG hat sich damit im Ergebnis der kürzlich ergangenen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (BeckRS 2021, 7611) angeschlossen und ist der gegenteiligen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (BeckRS 2021, 3265) nicht gefolgt.

OVG Lüneburg, Urteil vom 22.04.2021 - 2 LB 408/20

Redaktion beck-aktuell, 23. April 2021.