OVG Lüneburg: Kein Abschiebungsschutz für jungen Afghanen ohne soziales und familiäres Netzwerk

Einem erwachsenen, alleinstehenden, gesunden Afghanen hazarischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit, der Afghanistan im Kindesalter verlassen hat und im Iran aufgewachsen ist, steht kein Abschiebungsschutz zu. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg mit Urteil vom 29.01.2019 entschieden. Sie könnten auch ohne Berufsausbildung, ohne Vermögen und ohne familiäres Netzwerk in afghanischen Großstädten ein Existenzminimum erwirtschaften (Az.: 9 LB 93/18).

Frage von grundsätzlicher Bedeutung

Das OVG erläutert, dass die erstinstanzliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu dieser Frage nicht einheitlich sei. Das VG Osnabrück habe mit Urteil vom 15.03.2018 (Az.: 1 A 752/17) für den Kläger ein Verbot der Abschiebung nach Afghanistan festgestellt. Auf den Antrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe das OVG die Berufung zugelassen, um die grundsätzlich bedeutsame Frage zu klären, ob ein junger, alleinstehender Mann hazarischer Volkszugehörigkeit, der Afghanistan im Kindesalter verlassen hatte und im Iran aufgewachsen ist, ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen, ohne Berufsausbildung sowie ohne Vermögen und familiäres Netzwerk in der Lage ist, in Großstädten wie Kabul oder Herat ein Existenzminimum zu erwirtschaften.

OVG: Kläger kann in afghanischen Großstädten auch ohne Ausbildung und familiäres Netzwerk Existenzminimum erwirtschaften

Das OVG hat das Urteil des VG jetzt aufgehoben und die nur noch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten gerichtete Klage abgewiesen. Der Senat ist unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse zur Lage in Afghanistan zwar zu der Überzeugung gelangt, dass die Sicherheitslage und die humanitären Verhältnisse in Afghanistan anhaltend prekär und schwierig seien. Allerdings sei bei Bewertung aller derzeit bekannten Umstände trotz der widrigen Lebensbedingungen in Afghanistan nicht festzustellen, dass ein alleinstehender und gesunder junger Mann wie der Kläger auch ohne Berufsausbildung, ohne Vermögen und ohne familiäres Netzwerk nicht in der Lage wäre, in Großstädten wie Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif ein Existenzminimum zu erwirtschaften. 

Nicht jedem abgeschobenen Afghanen droht unmenschliche oder erniedrigende Behandlung 

Die verfügbaren Erkenntnisse ließen nicht den Schluss zu, dass jeder aus Europa abgeschobene Afghane in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif ohne Hinzutreten besonderer Umstände so gefährdet wäre, dass ihm bei seiner Rückkehr eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) drohen würde.

OVG Lüneburg, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18

Redaktion beck-aktuell, 30. Januar 2019.

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