Gesundheitsamt darf Pflegemitarbeiterin nicht zur Vorlage eines Impfnachweises verpflichten

Das Gesundheitsamt darf ungeimpfte Pflegepersonen nicht dazu zwingen, innerhalb einer bestimmten Frist den Nachweis einer vollständigen Corona-Impfung zu erbringen. Die "einrichtungs- und unternehmensbezogene Impfnachweispflicht" begründe gerade keine Verpflichtung der betroffenen Personen, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen, entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, sondern ermögliche nur für den Fall der Nichtimpfung ein Betretens- oder Tätigkeitsverbot.

Gesundheitsamt verfügte Impfpflicht gegenüber Pflegemitarbeiterin

Die Antragstellerin arbeitet in einem Seniorenhaus. Nachdem der Landkreis von ihrem Arbeitgeber die Mitteilung erhalten hatte, dass sie nicht gegen das Corona-Virus geimpft sei, ordnete er gegenüber der Antragstellerin unter Hinweis auf § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG und Androhung eines Zwangsgeldes an, einen Impfnachweis über eine Erstimpfung innerhalb einer Frist von 14 Tagen sowie einen Impfnachweis über eine Zweitimpfung innerhalb einer Frist von weiteren 42 Tagen beim Gesundheitsamt einzureichen. Das Verwaltungsgericht gab dem dagegen gerichteten Eilantrag statt. Die Vorgehensweise des Landkreises sei im Ergebnis wegen eines Verstoßes gegen die vom Gesetzgeber geschützte Freiwilligkeit der Impfentscheidung voraussichtlich rechtswidrig und nicht durch § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG gedeckt.

OVG bestätigt Rechtswidrigkeit der Anordnung

Das Oberverwaltungsgericht hat diese Entscheidung im Ergebnis bestätigt und die Beschwerde des Landkreises zurückgewiesen. Der Landkreis verlange mit der streitigen Anordnung nicht nur die Vorlage eines Nachweises im Sinne des § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG. Die Antragstellerin werde vielmehr mittelbar dazu verpflichtet, in der vorgegebenen Frist die Impfungen gegen das Corona-Virus vornehmen zu lassen. Für eine solche Verpflichtung einer ungeimpften Person und erst recht für die zwangsweise Durchsetzung dieser Verpflichtung mittels eines Zwangsgeldes biete § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG voraussichtlich keine Grundlage. Die verkürzt auch als "einrichtungsbezogene Impfpflicht" bezeichnete einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht begründe nämlich gerade keine Verpflichtung der betroffenen Personen, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen.

Behörden dürfen nur Betretens- oder Tätigkeitsverbot anordnen

Faktisch stelle die Regelung die Betroffenen vielmehr lediglich vor die Wahl, entweder ihre bisherige Tätigkeit aufzugeben oder aber in die Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität durch die Impfung einzuwilligen. Dementsprechend eröffne § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG dem Gesundheitsamt die Möglichkeit, bei Nichtvorlage eines Nachweises ein sofort vollziehbares Betretens- oder Tätigkeitsverbot auszusprechen. Dies entspreche dem Sinn und Zweck der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht, äußerst vulnerable Personengruppen vor einer Infektion mit dem Corona-Virus zeitnah und in besonderem Maße zu schützen.

OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.06.2022 - 14 ME 258/22

Redaktion beck-aktuell, 23. Juni 2022.