OVG Lüneburg bestätigt Sichtweise zu Corona-Verordnungen

In mehreren Normenkontrollverfahren zu Niedersächsischen Corona-Verordnungen von 2020 hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg seine Ansicht bestätigt, dass die Ver­ord­nun­gen bis­her auf einer taug­li­chen Rechts­grund­la­ge be­ru­hten sowie for­mell und ma­te­ri­el­l im Hin­blick auf das "Ob" eines staat­li­chen Han­delns rechtmäßig seien. Bei der Notwen­dig­keit der ein­zel­nen Maß­nah­men dif­fe­ren­zierte es aber und erachtete die Schließung von Autowaschanlagen im Frühjahr 2020 für rechtswidrig.

Streit um Maskenpflicht und Schließung von Autowaschanlagen

Die Verfahren betrafen die allgemeine Maskenpflicht nach der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 17.04.2020 in der Fassung vom 24.04.2020 (Az.: 13 KN 132/20 u.a.), die Maskenpflicht in Fitnessstudios außerhalb sportlicher Betätigung nach der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 07.10.2020 in der Fassung vom 22.10.2020 (Az.: 13 KN 389/20) und Betriebsschließungen und -beschränkungen von Autowaschanlagen nach den Niedersächsischen Corona-Verordnungen vom 02.04.2020, vom 07.04.2020 in der Fassung vom 09.04.2020 und vom 17.04.2020 in der Fassung vom 24.04.2020 (Az.: 13 KN 62/20). 

OVG: Corona-Verordnungen basierten auf tauglicher Rechtsgrundlage

Die Normenkontrollverfahren wurden von verschiedenen Antragstellern während der Geltungsdauer dieser Niedersächsischen Corona-Verordnungen anhängig gemacht und nach deren Außerkrafttreten mit Feststellungsanträgen fortgeführt. In allen Verfahren hat der 13. Senat seine in den Normenkontrolleilverfahren gewonnene Auffassung bestätigt, dass die Niedersächsischen Corona-Verordnungen bisher auf einer tauglichen Rechtsgrundlage beruht hätten, formell rechtmäßig seien und hinsichtlich deren materieller Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das "Ob" eines staatlichen Handelns keine durchgreifenden Bedenken bestünden.

Allgemeine Maskenpflicht war rechtmäßig

Das OVG hat für die Beurteilung der Notwendigkeit der Infektionsschutzmaßnahmen allein die Sach- und Kenntnislage der die Maßnahmen anordnenden zuständigen Infektionsschutzbehörde im Zeitpunkt ihres Handelns für maßgeblich erachtet (sogenannte ex-ante-Sicht). In den Verfahren 13 KN 132/20 u. a. hat der Senat die allgemeine Maskenpflicht nach der Corona-VO vom April 2020 als notwendige Infektionsschutzmaßnahme anerkannt und die Normenkontrollanträge abgelehnt. Selbst den seinerzeit nur geforderten "textilen Barrieren", darunter "Schals, Tücher, Buffs", habe eine filternde Wirkung auf die Ausatemluft zukommen können, indem sie in dieser vorhandene Tröpfchen und Partikel teilweise zurückhielten oder jedenfalls deren Austrittsgeschwindigkeit und damit den Ausbreitungsradius verringerten. Abhängig vom jeweiligen individuellen Wirkungsgrad der verwendeten Maske und der Zahl der Personen, die eine solche trügen, habe die Maskenpflicht daher als eine Maßnahme angesehen werden können, die den Schutz Fremder vor einer Infektion verbessert habe. Mildere, aber gleich geeignete Maßnahmen seien seinerzeit nicht verfügbar gewesen. Das bloße Abstandsgebot habe in den von der Verordnung umfassten Fallkonstellationen nicht genügt.

Maskenpflicht in Fitnessstudios außerhalb sportlicher Betätigung ebenfalls rechtmäßig

Im Verfahren 13 KN 389/20 hat der Senat auch die Maskenpflicht in Fitnessstudios außerhalb sportlicher Betätigung als notwendige Infektionsschutzmaßnahme angesehen und den Normenkontrollantrag abgelehnt. Zwar sei die allgemeine Eignung zur Infektionsvermeidung herabgesetzt, wenn die Maske im Fitnessstudio nur außerhalb sportlicher Betätigung getragen werden müsse. Es verbleibe insoweit aber ein Restnutzen, der immer noch höher zu bewerten sei als die mit der Maskenpflicht verbundene geringe Belastung der von ihr Betroffenen.

Schließung und Beschränkung von Autowaschanlagen war rechtswidrig

Hingegen hat der Senat im Verfahren 13 KN 62/20 festgestellt, dass § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 02.04.2020 unwirksam gewesen ist, soweit danach Autowaschanlagen für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossen waren, und dass § 3 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 07.04.2020 unwirksam gewesen ist, soweit danach die Nutzung von Autowaschanlagen auf die Reinigung gewerblich oder dienstlich eingesetzter Fahrzeuge sowie die vollautomatische Reinigung privat genutzter Fahrzeuge ohne Durchführung vor- und nachgelagerter Reinigungsschritte durch die Kundinnen und Kunden beschränkt war. Denn auch nach dem Erkenntnisstand bei Verordnungserlass habe die Schließung oder Betriebsbeschränkung von Autowaschanlagen in dem angeordneten Umfang nicht mehr als notwendige Infektionsschutzmaßnahme angesehen werden können.

Mildere Mittel möglich gewesen

Als mildere und gleich geeignete Maßnahme wäre vielmehr, anders als etwa im Einzelhandel oder in der Gastronomie, ein striktes Abstandsgebot zur Infektionsvermeidung ausreichend gewesen. Für Autowaschanlagen, die neben einer Tankstelle betrieben würden, wäre hilfsweise allenfalls eine Beschränkung auf Kundinnen und Kunden der Tankstelle notwendig gewesen. Im Übrigen hat der Senat den Antrag mangels rechtzeitiger Antragstellung während der Gültigkeitsdauer der Verordnung vom 17.04.2020 in der Fassung vom 24.04.2020 als unzulässig verworfen.

OVG Lüneburg, Urteil vom 25.11.2021 - 13 KN 132/20

Redaktion beck-aktuell, 30. November 2021.