In Niedersachsen vorerst auch bei Inzidenz von über 10 keine Schließung von Bars und Clubs mehr

Die in § 9 Abs. 5 der aktuellen Niedersächsischen Corona-Verordnung geregelte Schließung von Diskotheken, Clubs und ähnlichen Einrichtungen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 10 ist einstweilig außer Vollzug gesetzt. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat heute dem Eilantrag eines Shisha-Bar-Betreibers stattgegeben, weil die Regelung angesichts der veränderten Pandemieentwicklung keine notwendige Schutzmaßnahme mehr darstelle.

Shisha-Bar wendet sich einstweilig gegen Betriebsschließung ab Inzidenz von 10

Die Antragstellerin, die eine Shisha-Bar in Delmenhorst betreibt, hatte sich mit einem Normenkontrolleilantrag gegen die Regelung in § 9 Abs. 5 der Niedersächsischen Corona-VO sowie gegen § 1a Abs. 1 und 2 Corona-VO gewandt und argumentiert, die Schließung sei unverhältnismäßig. Nach den vom RKI aufbereiteten Daten spiele das Infektionsumfeld "Gaststätte" oder "Shisha-Bar" nur eine untergeordnete Rolle. Darüber hinaus seien die Inzidenz-Werte willkürlich gewählt und nicht mehr hinreichend aussagekräftig, da sie die notwendigen Parameter nur unzureichend berücksichtigten.

OVG gibt Eilantrag statt – Betriebsschließung nicht notwendig

Das OVG hat dem Eilantrag im Hinblick auf § 9 Abs. 5 Corona-VO stattgegeben. Es handele sich bei der Schließung der genannten Einrichtungen nicht um eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Insbesondere lägen die speziellen Voraussetzungen des § 28a Abs. 3 IfSG nicht vor. Diese Vorschrift sehe drei unterschiedliche Inzidenzbereiche (über 50, über 35, unter 35) vor. Dies schließe es aus, die derzeit angeordnete Schließung von Diskotheken, Clubs und ähnlichen Eirichtungen sowie Shisha-Bars bereits bei einem Sieben-Tage-Inzidenzwert von mehr als 10 anzuordnen. Unterhalb einer Sieben-Tage-Inzidenz von 35 kämen bei der im Infektionsschutzgesetz vorgesehenen Staffelung lediglich allgemeine Regelungen, wie Test- und Maskenpflicht sowie die Kontaktdatenerhebung, äußerstenfalls Zugangsbeschränkungen in Betracht. Generelle Betriebsschließungen einzelner Branchen seien damit nicht vereinbar.

Schwellenwerte an geändertes Infektionsgeschehen anzupassen

Im Hinblick auf das Fortschreiten der Immunisierung der Bevölkerung und der damit verbundenen weitgehenden Beschränkung des Infektionsgeschehens auf weniger vulnerable (jüngere) Gruppen sei eine Anpassung der Schwellenwerte an die geänderte Sachlage erforderlich. Auf Grundlage der derzeit geltenden Schwellenwerte könnten schwerwiegende Grundrechtseingriffe nur noch für einen kurzen Übergangszeitraum gerechtfertigt werden. Eine Unterminierung der Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners sei durch die vorläufige Außervollzugsetzung nicht zu befürchten. § 9 Abs. 5 Corona-VO sei nicht Bestandteil eines zwischen allen Bundesländern abgestimmten Gesamtkonzepts. Die Verordnung enthalte in ihrem § 1f Abs. 2 Regelungen etwa Hygienekonzepten, Kapazitätsbeschränkungen und Testverpflichtungen, die vorübergehend auch oberhalb der Sieben-Tage-Inzidenz von 10 auf Diskotheken, Clubs und ähnliche Einrichtungen sowie Shisha-Bars angewendet werden könnten.

Regelung ab sofort in Niedersachsen nicht mehr zu beachten

Es müsse der gebotenen Neuregelung der Schwellenwerte überlassen bleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen diese Einrichtungen, die fraglos zu einem erhöhten Infektionsrisiko führten, wieder geschlossen werden sollten. Die Außervollzugsetzung des § 9 Abs. 5 Corona-VO ist laut OVG allgemeinverbindlich, das heißt, die betroffene Regelung ist in Niedersachsen gegenwärtig nicht zu beachten. Hinsichtlich der Regelungen in § 1a Abs. 1 und 2 Corona-VO hat der Senat den Antrag wegen fehlender Antragsbefugnis verworfen.

Redaktion beck-aktuell, 3. August 2021.