2G-Regel im Einzelhandel in Niedersachsen vorläufig außer Vollzug
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In Niedersachen gilt aktuell keine 2G-Regel mehr im Einzelhandel. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat die entsprechende Rechtsvorschrift, die ein Zutrittsverbot für Kunden anordnet, die weder über einen Impf- noch über einen Genesenennachweis verfügen, auf Antrag einer Ladenbetreiberin vorläufig außer Vollzug gesetzt. Die Infektionsschutzmaßnahme sei weder notwendig noch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, so das Gericht.

2G-Regelung im Einzelhandel nicht erforderlich

Das Gericht führte aus, dass die 2G-Regelung im Einzelhandel in der konkreten Ausgestaltung nach § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Corona-VO derzeit keine notwendige Schutzmaßnahme sei. Die Eignung zur Erreichung der infektiologischen Ziele sei durch die - fraglos erforderlichen - zahlreichen Ausnahmen in § 9a Abs. 1 Satz 2 Corona-VO bereits reduziert. Allein im von der 2-G-Regelung nicht umfassten Lebensmitteleinzelhandel finde der weit überwiegende Teil täglicher Kundenkontakte statt. Auch die Erforderlichkeit sei zweifelhaft. Der Senat habe bereits mehrfach beanstandet, dass verlässliche und nachvollziehbare Feststellungen zur tatsächlichen Infektionsrelevanz des Geschehens im Einzelhandel fehlten. Eine schlichte Übertragung von Erkenntnissen zum Geschehen in geschlossenen Räumen von Sport- und Freizeiteinrichtungen dränge sich angesichts erheblicher Unterschiede zu dem Geschehen im Einzelhandel nicht auf.

FFP2-Maskenpflicht ausreichend

Zudem könnten die Kunden, wie in vielen anderen Alltagssituationen, auch im Einzelhandel verpflichtet werden, eine FFP2-Maske zu tragen. Nach neueren Erkenntnissen dürften Atemschutzmasken dieses Schutzniveaus das Infektionsrisiko derart absenken, dass es nahezu vernachlässigt werden könne. Auch das Robert Koch-Institut sehe in seiner Strategie zur Vorbereitung auf den Herbst/Winter 2021/22 selbst für die höchste Warnstufe nicht den Ausschluss ungeimpfter Kunden vom Einzelhandel vor. Die Corona-VO des Landes Niedersachsen hingegen ordne die 2G-Regelung bereits ab der Warnstufe 1 an, die durch ein mildes Infektionsgeschehen gekennzeichnet sei. Demgegenüber stünden durchaus erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der ungeimpften Kunden und der Betriebsinhaber. In dieser Relation - beherrschbares Infektionsgeschehen, geringe Wirkung der Infektionsschutzmaßnahme und erhebliche Grundrechtseingriffe - erweise sich die 2G-Regelung im Einzelhandel derzeit als unangemessen. Eine andere Bewertung gebiete auch die neue Omikron-Variante nicht.

Regelung nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar

Die Regelung dürfte auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sein, so die Richter weiter. Nachvollziehbare sachliche Gründe dafür, dass beispielsweise zwar Gartenmarktgüter, Güter des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels und Güter zur Reparatur und Instandhaltung von Elektronikgeräten zu den von der 2-G-Regelung ausgenommenen "Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung" gezählt würden, aber Baumärkte uneingeschränkt der 2-G-Regelung unterworfen blieben, seien nicht erkennbar. Schwerwiegende öffentliche Interessen, die einer vorläufigen Außervollzugsetzung der danach voraussichtlich rechtswidrigen Regelung entgegenstünden, seien nicht gegeben.

Streit um 2G im Handel entbrennt nach Entscheidung

Nach der Entscheidung verschärft sich der Streit um die coronabedingten Zugangsbeschränkungen in den deutschen Einkaufsstraßen und Shopping-Centern. Der Handelsverband Deutschland (HDE) forderte die Politik am Freitag auf, nun "2G im Handel hinter sich zu lassen". Die Bundesregierung hielt dagegen ausdrücklich an den Zugangsverboten für Ungeimpfte in weiten Teilen des Einzelhandels fest. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte, es mache weder epidemiologisch noch gesundheitspolitisch Sinn, solche Regeln jetzt zu kippen. Dies gelte insbesondere wegen der bevorstehenden Welle mit der neuen Virusvariante Omikron. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil warnte, dass nun vermehrt Menschen ohne Corona-Impfung ins Land kommen könnten. Niedersachsen habe mit dem Beschluss jetzt eine Sonderrolle in Deutschland. "Alle anderen Länder haben 2G im Einzelhandel. Ich hoffe nicht, dass das zu einem Einkaufstourismus der besonderen Art führt, weil ungeimpfte Menschen in Niedersachsen shoppen gehen können."

Niedersachsen will Regelung überarbeiten

Über neue Corona-Auflagen für die Geschäfte werde die Landesregierung jetzt sehr kurzfristig entscheiden, kündigte Weil an. "Ich kann ausschließen, dass es so weitergeht wie bisher nur ohne 2G." Eine überarbeitete Corona-Regelung zum Einzelhandel in Niedersachsen soll es in der ersten Hälfte der kommenden Woche geben. Denkbar könnte etwa eine 3G-Regel sein, womit nicht geimpfte Menschen einen negativen Test bräuchten. Der HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth forderte unterdessen die Politik zur Abkehr von 2G auf. "Hygienekonzepte, Abstand und die Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken reichen nicht nur in Niedersachsen, sondern unabhängig vom Bundesland aus, um Infektionen im Einzelhandel zu verhindern", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Das niedersächsische Urteil gebe hier die Richtung vor, sagte Genth. Allerdings ist auch die Justiz noch uneinig über die Corona-Beschränkungen. In Schleswig-Holstein war ein Eilantrag gegen die 2G-Regel vom zuständigen Gericht erst kürzlich abgelehnt worden. Die Länder Hessen und Sachsen erklärten bereits, weiter an der 2G-Regel festhalten zu wollen.

Redaktion beck-aktuell, 17. Dezember 2021 (ergänzt durch Material der dpa).