Pflicht zur Überlassung von Sendezeiten für unabhängige Dritte
Nach dem Rundfunkstaatsvertrag müssen Privatsender zur Wahrung der Meinungsvielfalt im privaten Fernsehsektor bestimmte Zeitanteile unabhängigen Produzenten von Fernsehprogrammen ("Fensterprogrammveranstalter") einräumen, wenn sie im Durchschnitt der letzten zwölf Monate einen Zuschaueranteil von 10% oder, falls der Privatsender einer Sendergruppe angehört, die Sendergruppe insgesamt einen Zuschaueranteil von 20% erreicht oder überschritten hat. Ob bei einem Privatsender oder der Sendergruppe ein solcher Zuschaueranteil vorliegt, wird von der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) auf Veranlassung der zuständigen Landesmedienanstalt – in Rheinland-Pfalz die Landesanstalt für Medien und Kommunikation (LMK) – ermittelt. Die Drittsendezeiten werden anschließend von der LMK öffentlich ausgeschrieben.
Vormalige Ausschreibung und Sendezeitenvergabe waren rechtswidrig
In früheren Zulassungszeiträumen wurde jeweils die auch im aktuellen Verfahren beteiligte Produktionsfirma dctp und eine – nicht mehr existente – weitere Anbieterin von der LMK berechtigt, im Programm von SAT.1 Fensterprogramme zu veranstalten. Die letzte Zulassung endete zum 31.05.2013. Für den danach beginnenden neuen Zulassungszeitraum wählte die LMK zunächst diese Anbieter nochmals aus. In dem seinerzeit von SAT.1 eingeleiteten ersten Eilverfahren wurden vom OVG Rechtsfehler in der Ausschreibung und den Vergabeentscheidungen festgestellt und zunächst die sofortige Vollziehbarkeit der Zulassungsbescheide beseitigt. Unmittelbar nach Ergehen der Eilentscheidungen stellte SAT.1 im September 2014 die Ausstrahlung der überregionalen Fensterprogramme ein. Im anschließenden Hauptsacheverfahren hob das Verwaltungsgericht die Zulassungsbescheide der LMK auf. Dagegen legte nur dctp Berufung ein.
Privatsender wehrt sich gegen erneute Einräumung von Drittsendezeiten
Da wegen des Überschreitens der Zuschaueranteile bereits 2014 die grundsätzliche Verpflichtung von SAT.1 zur Einräumung von Drittsendezeiten festgestellt wurde, schrieb die LMK die Fensterprogramme – wegen des bei der Ausschreibung noch laufenden Berufungsverfahrens der früheren "Zulassungsrunde" unter Vorbehalt neu aus. In diesem Verfahren wurden von der LMK und SAT.1 einvernehmlich drei Fensterprogrammveranstalter ausgewählt sowie SAT.1 verpflichtet, diesen im Hauptprogramm Sendezeiten (dienstags von 23:10 Uhr bis 01:15 Uhr und samstags von 19:00 Uhr bis 19:55 Uhr) einzuräumen. Dagegen hat SAT.1 erneut Klage erhoben. Zugleich stellte SAT.1 einen weiteren Eilantrag, mit dem der Sender die in dem Bescheid zugleich enthaltene Verpflichtung zur sofortigen Einräumung von Drittsendezeiten beseitigen will. Das Verwaltungsgericht gab dem Eilantrag statt. LMK und dctp legten dagegen Beschwerde ein.
OVG verpflichtet SAT.1 vorläufig zu Sendezeiten für unabhängige Dritte
Die Beschwerde hatte Erfolg. Das OVG hat SAT.1 vorläufig verpflichtet, Sendezeiten für unabhängige Dritte in ihrem Fernsehprogramm aufzunehmen. Anders als in früheren Eilverfahren seien keine Rechtsfehler in der Ausschreibung, der Auswahl und der Vergabe der Zulassungen der drei ausgewählten Fensterprogrammveranstalter zu erkennen. Der Zuschaueranteil der Sendergruppe sei von der KEK zutreffend mit 20,04% festgestellt worden. Damit hätten zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens die Zuschaueranteile einen Wert erreicht, der die LMK berechtigt habe, die zur Sicherung der Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk vorgesehenen Drittsendezeiten auszuschreiben. Die Zuschaueranteile seien während des laufenden Verfahrens auch nicht so stark zurückgegangen, das die Verpflichtung zur Einräumung von Drittsendezeiten unverhältnismäßig erscheine. Die beteiligten Organe der LMK hätten auch innerhalb ihrer Zuständigkeit gehandelt.
Berufung stand neuem Zulassungsverfahren nicht entgegen
Das Verfahren habe auch schon beginnen dürfen, obwohl die Berufung in dem vorherigen Vergabeverfahren noch beim Senat anhängig gewesen sei, so das OVG. Insofern sei die Angelegenheit eilbedürftig gewesen, weil trotz des gerichtlich festgestellten Überschreitens der Zuschaueranteile seit der Einstellung der Fensterprogramme im September 2014 mehr als drei Jahre keine überregionalen Fensterprogramme im Hauptprogramm von SAT.1 mehr ausgestrahlt worden seien. Diesen Zustand habe die LMK so schnell wie möglich beenden dürfen.
Öffentliches Interesse an Gewährleistung der Meinungsvielfalt vorrangig
Laut OVG hat hat das Gericht in dem rundfunkrechtlichen Eilverfahren aber auch eine Folgenabwägung getroffen. Danach sei dem öffentlichen Interesse an einer zeitnahen und effektiven Gewährleistung der Meinungsvielfalt im Medienbereich gegenüber dem Interesse von SAT.1 an einer ungeschmälerten Ausstrahlung ihres privaten Fernsehprogramms der Vorrang einzuräumen. Unter Zugrundelegung der gesamten Sendezeit der aus neun verschiedenen Programmen bestehenden Sendergruppe und bei einer unterstellten Sendedauer von 24 Stunden je Sender werde das Recht auf freie Programmgestaltung des Privatsenders lediglich in einer Größenordnung von noch nicht einmal 0,2% eingeschränkt. Die Grundrechtsbetroffenheit der Sendergruppe, für die SAT.1 agiere, könne deshalb in der Gesamtbetrachtung nur als geringfügig angesehen werden. Demgegenüber würde die bei einem Erfolg des Eilantrags von SAT.1 eintretende Fortschreibung des verfassungsrechtlich nicht tragbaren Zustands, bei dem trotz festgestellter Verpflichtung von SAT.1 zur Einräumung von Drittsendezeiten keine Fensterprogramme mehr ausgestrahlt würden, deutlich schwerer wiegen. Der neuerliche Eilantrag von SAT.1 würde im Ergebnis die Hauptsache allein durch Zeitablauf im Ergebnis vorwegnehmen.