OVG Koblenz: AfD-kritische Äußerungen der Speyerer Bürgermeisterin anlässlich fremdenfeindlichen Gedichts bei Poetry-Slam-Veranstaltung nicht zu beanstanden

Die Äußerungen "öffentliche Provokation durch die AfD" und "Geistige Brandstifter schüren Ängste" der Speyerer Bürgermeisterin und deren ehemaliger stellvertretender Pressesprecherin zu dem Vortag eines fremdenfeindlichen Gedichts bei einer Poetry-Slam-Veranstaltung sind nicht zu beanstanden. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz mit Eilbeschluss vom 30.01.2019 entschieden. Das Gericht verneinte damit einen Anspruch auf Unterlassung entsprechender Äußerungen (Az.: 10 B 11552/18.OVG).

Jugendliche Petry-Slam-Teilnehmerin geht gegen Äußerungen vor

Der Jugendstadtrat – die Jugendvertretung der Stadt Speyer – veranstaltete am 26.09.2018 einen Poetry Slam unter dem Motto "Speyer ohne Rassismus – Speyer mit Courage". Bei dieser Veranstaltung trug die jugendliche Antragstellerin ein Gedicht vor, das unter anderem die Zeilen enthielt: "Weil er kein Fräulein haben kann, hilft er schnell nach mit – einem Messer……Nun steckt das Messer dir im Bauch, denn so ist‘s im Orient Brauch." Bei der Beantwortung von Presseanfragen zu dem Poetry Slam machten die Bürgermeisterin und die frühere stellvertretende Pressesprecherin der Stadt Speyer die genannten Äußerungen in Bezug auf den Vortrag der Antragstellerin. Nachdem die Stadt Speyer eine von der Antragstellerin geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben hatte, beantragte diese, der Stadt im Wege der einstweiligen Anordnung die genannten Äußerungen zu untersagen. Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße lehnte den Eilantrag ab.

Neutralitätsgebot gilt nur in Bezug auf politische Parteien

Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin hatte vor dem OVG keinen Erfolg. Der Antragstellerin stehe kein Unterlassungsanspruch zu. Bei den Äußerungen der Bürgermeisterin und der ehemaligen stellvertretenden Pressesprecherin handele es sich um amtliche Äußerungen, da sie diese als Bedienstete der Stadt Speyer gemacht hätten. Amtsträger kommunaler Gebietskörperschaften seien grundsätzlich befugt, sich im Rahmen des Aufgabenbereichs der Gemeinde zu Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft öffentlich zu äußern. Bei Äußerungen in diesem Rahmen, die sich nicht gegen Parteien richteten, sei der Amtsträger entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht an das allein politischen Parteien gegenüber bestehende Neutralitätsgebot gebunden, welches aus dem Recht der Parteien auf Chancengleichheit folge.

Lediglich Sachlichkeitsgebot zu beachten 

Vielmehr fänden sonstige amtliche Äußerungen im politischen Meinungskampf ihre Grenzen in den Anforderungen des Sachlichkeitsgebots, das für jedes Staatshandeln gelte. Danach dürften Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen. Nach diesen Grundsätzen seien die hier in Rede stehenden Äußerungen der Bürgermeisterin sowie der ehemaligen stellvertretenden Pressesprecherin der Stadt Speyer rechtlich nicht zu beanstanden.

Äußerung griff zutreffende Tatsachen auf

Die Aussage der Bürgermeisterin, mit der sie den Vortrag der Antragstellerin auf der Veranstaltung vom 26.09.2018 als öffentliche Provokation durch die AfD bezeichnet habe, sei als Werturteil gerechtfertigt, weil die Antragstellerin selbst in dem Gedicht, welches sich auf Flüchtlinge beziehe und diese pauschal verunglimpfe, ausdrücklich einen Bezug zu dieser Partei hergestellt habe und der AfD-Kreisvorsitzende nach unbestrittenem Vorbringen der Antragsgegnerin dazu aufgerufen habe, die Veranstaltung zu besuchen, auf der auch "patriotische Beiträge" vorkommen würden. Die Äußerung beziehe sich damit auf zutreffende Tatsachen und würdige diese sachlich angemessen.

Gedicht durfte nachvollziehbar als Provokation bewertet werden

Hiervon unabhängig sei zu berücksichtigen, dass ein fremdenfeindliches Gedicht auf einer Veranstaltung, die unter dem von den Veranstaltern gewählten Motto "Speyer ohne Rassismus – Speyer mit Courage" stehe, nachvollziehbar als Provokation bezeichnet werden dürfe. Auch bei der zum Auftritt der Antragstellerin von der ehemaligen stellvertretenden Pressesprecherin der Stadt gemachten Äußerung "geistige Brandstifter schüren Ängste" handele es sich um ein rechtlich nicht zu beanstandendes Werturteil, das insbesondere wegen der oben zitierten extrem ausländerfeindlichen Passagen in dem von der Antragstellerin vorgetragenen Gedicht sachlich gerechtfertigt sei.

OVG Koblenz, Beschluss vom 30.01.2019 - 10 B 11552/18.OVG

Redaktion beck-aktuell, 6. Februar 2019.

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