Schülerbeförderungskosten sind auch für Kinder von Grenzgängern zu übernehmen

Die Beschränkung der Übernahme von Schülerbeförderungskosten auf solche Kinder, die ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz haben, ist europarechtswidrig, soweit Kinder sogenannter Grenzgänger betroffen sind. Auch für diese Kinder muss der Landkreis, in dem die Schule liegt, die Kosten daher nach den für Rheinland-Pfälzer geltenden Regelungen übernehmen. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz am 23.06.2020.

Landkreis verweigerte Übernahme der Schülerbeförderungskosten für Grenzgänger

Die Kläger besuchten im betreffenden Schuljahr die 7. beziehungsweise die 10. Klassenstufe einer Realschule plus im beklagten Landkreis. Sie sind - wie ihre Eltern - deutsche Staatsangehörige, wohnen mit ihren Eltern aber in Frankreich. Der beklagte Landkreis verweigerte die in den vorherigen Schuljahren noch gewährte Übernahme der Schülerbeförderungskosten, weil das rheinland-pfälzische Schulgesetz eine Übernehme der Schülerbeförderung ausdrücklich nur für Schüler mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz vorsehe.

Vorabentscheidung des EuGH beurteilte Wohnsitzerfordernis als unionsrechtswidrig

Das Verwaltungsgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt, weil eine europarechtswidrige mittelbare Diskriminierung der Kläger vorliege. Nachdem der Landkreis Berufung eingelegt hatte, ersuchte das Oberverwaltungsgericht den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung. Dieser bestätigte, dass das Wohnsitzerfordernis eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung von Kindern von Grenzgängern darstelle (Az.: Rs. C-830/18, BeckRS 2020, 4842).

OVG weist Berufung zurück

Nunmehr hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung in diesem Sinne zurückgewiesen. Die Entscheidung des Gerichtshofs stelle für den vorliegenden Ausgangsrechtsstreit verbindlich klar, dass eine nationale Rechtsvorschrift, die die Übernahme der Schülerbeförderung durch ein Bundesland von der Voraussetzung eines Wohnsitzes in diesem Bundesland abhängig mache, eine mittelbare Diskriminierung beinhalte, da sie sich ihrem Wesen nach eher auf Grenzarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken könne.

Diskriminierung nicht gerechtfertigt

Auch praktische Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der effizienten Organisation der Schülerbeförderung in einem Bundesland stellten keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der eine als mittelbare Diskriminierung eingestufte nationale Maßnahme rechtfertigen könne. Deshalb sei das Wohnsitzerfordernis, wie es im rheinland-pfälzischen Schulgesetz normiert sei, insoweit als unionsrechtswidrig einzustufen. Es stelle eine nicht gerechtfertigte mittelbare Diskriminierung von Kindern von Grenzarbeitnehmern dar.

Schülerbeförderungskosten sind ab sofort zu übernehmen

Die gewährte Vergünstigung sei daher, wie auch bereits das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden habe, bis zu einer gesetzlichen Neuregelung auf die Mitglieder der europarechtswidrig benachteiligten Gruppe, der die Kläger als Kinder von Grenzgängern angehören, zu erstrecken und die Schülerbeförderungskosten daher zu übernehmen.

OVG Koblenz, Urteil vom 23.06.2020 - 2 A 10461/20

Redaktion beck-aktuell, 25. Juni 2020.