OVG Koblenz: Mitglieder der Rockergruppierung Gremium MC dürfen keine Waffen besitzen

Mitglieder der Rockergruppierung Gremium MC sind waffenrechtlich unzuverlässig, sodass die ihnen erteilten Waffenbesitzerlaubnisse aufzuheben sind. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz mit Urteilen vom 28.06.2018 entschieden (Az.: 7 A 11748/17.OVG und andere).

Rocker wenden sich gegen Widerruf ihrer Waffenbesitzerlaubnisse

In drei Berufungsverfahren wandten sich die Kläger gegen den Widerruf der ihnen erteilten Erlaubnis zum Besitz von Waffen. Der Widerruf war mit der Zugehörigkeit der Kläger zur Rockergruppierung Gremium MC begründet worden. Zwei der Kläger sind Mitglieder, der Dritte ist Ehrenpräsident eines "Chapter" – einer Ortsgruppe – dieser Gruppierung. Das Verwaltungsgericht Trier hatte in den beiden dort anhängigen Verfahren die Klagen abgewiesen. Das VG Neustadt an der Weinstraße hatte hingegen in dem bei ihm anhängigen Verfahren der Klage stattgegeben.

Mitgliedschaft lässt missbräuchliche Waffenverwendung befürchten

Das OVG bestätigte die Entscheidungen des VG Trier und wies die hiergegen eingelegten Berufungen der Kläger zurück. Zugleich hob es auf die Berufung des beklagten Rhein-Pfalz-Kreises das Urteil des VG Neustadt an der Weinstraße auf und wies die Klage ab. Die den Klägern erteilten Erlaubnisse zum Besitz von Waffen seien zu Recht widerrufen beziehungsweise zurückgenommen worden. Es fehle den Klägern an der erforderlichen waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Die Mitgliedschaft im Gremium MC rechtfertige die Annahme, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich verwenden oder nicht berechtigten Personen überlassen würden.

Strafrechtliche Unbescholtenheit steht Annahme der Unzuverlässigkeit nicht entgegen

An die geforderte Prognose dürften keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Sie habe sich an dem Zweck des Gesetzes zu orientieren, wonach die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden seien, nur bei solchen Personen hinzunehmen seien, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen rechtfertigten, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgingen. Da es sich um eine Prognoseentscheidung handele, hindere der Einwand der Kläger, in strafrechtlicher Hinsicht unbescholten zu sein, die Annahme der Unzuverlässigkeit nicht. Die Prognose sei zwar auf diejenige Person zu beziehen, deren Zuverlässigkeit in Frage stehe. Individuelle Verhaltenspotenziale würden jedoch auch durch das soziale Umfeld bestimmt.

Gruppenzugehörigkeit lässt Rückschlüsse auf Einstellungen des Mitgliedes zu

Schließe sich eine Person einer Gruppe an, so lasse dies Rückschlüsse zu. Mit einer Entscheidung für die Gruppenzugehörigkeit werde zum Ausdruck gebracht, mit den Regeln dieser Gruppe einverstanden zu sein und ihre Wertvorstellungen zu teilen, gibt das OVG zu bedenken. Die Gruppenzugehörigkeit könne nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Mitgliedschaft in einer örtlichen Organisationseinheit der Rockergruppierung Bandidos als Tatsache die Annahme der Unzuverlässigkeit stützen, wenn bestimmte Strukturmerkmale der Gruppe die Annahme rechtfertigten, dass gerade auch die in Rede stehende Person künftig Waffen oder Munition missbräuchlich verwenden oder nicht berechtigten Personen überlassen werde.

Gremium MC Akteur im Bereich der "Rockerkriminalität"

Nach diesen Maßstäben sei die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit der Kläger aufgrund ihrer Mitgliedschaft beziehungsweise Ehrenpräsidentschaft im Gremium MC gegeben. Bundeskriminalamt und Landeskriminalämter ordneten die "Rockerkriminalität" seit Jahren dem Bereich der Organisierten Kriminalität zu. Zu den Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG) gehörten fünf Rockergruppierungen, unter anderem der Gremium MC. Typische Deliktsfelder seien der Drogen- und Waffenhandel. Dies belegten insbesondere Drogen- und Waffenfunde bei polizeilichen Durchsuchungen.

Gewalt als szenetypisches Verhalten

Beispielhaft werde auf solche beim Gremium MC Landau im Jahr 2013 verwiesen, denen auch erhebliche strafrechtliche Verurteilungen folgten. Die Angehörigen des Gremium MC trügen Rivalitäten und Konflikte mit anderen Rockergruppierungen um territorialen und finanziellen Machtzuwachs häufig mit Gewalt aus. Dieses szenetypische Verhalten sei als wesensprägendes Strukturmerkmal anzusehen.

2011 unbeteiligter Jugendlicher bei gewalttätigen Konflikten gestorben

Einer der folgenreichsten Vorfälle habe sich im Jahr 2011 ereignet: Bei gewalttätigen Konflikten zwischen Mitgliedern des Gremium MC und den Hells Angels sei ein unbeteiligter Jugendlicher durch ein Mitglied des Gremium MC schwer verletzt worden. Gegen den Regionalverband des Gremium MC in Sachsen und weitere Untergruppierungen sei deswegen ein Vereinsverbot erlassen worden, das das BVerwG als rechtmäßig bestätigt habe (vgl. BeckRS 2016, 42102). Darüber hinaus gebe es bundesweit weitere Berichte von gewalttätig ausgetragenen Konflikten, an denen Mitglieder des Gremium MC beteiligt gewesen seien und die eine hohe Gewaltbereitschaft erkennen ließen. Unter diesen Umständen sei die teilweise von Kriminologen geäußerte Kritik, die Polizei schaffe selbst ein Bedrohungsszenario und suggeriere eine Gefahrenlage, nicht nachvollziehbar.

Bloß regionale Sichtweise ausgeschlossen

Wie andere Rockergruppierungen auch zeichne sich der Gremium MC durch hierarchische und autoritäre Strukturen, ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl im Sinne einer Bruderschaft der Mitglieder, ein formalisiertes Aufnahmeverfahren für neue Mitglieder, ein Schweigegebot und einen Ehrenkodex aus. Die örtlichen Organisationseinheiten seien miteinander vernetzt. Eine bloß regionale Sichtweise bezogen auf das einzelne Chapter und seine Umgebung werde diesen Strukturen nicht gerecht.

OVG Koblenz, Urteil vom 28.06.2018 - 7 A 11748/17.OVG

Redaktion beck-aktuell, 2. Juli 2018.