OVG Ko­blenz: Bur­ki­ni-Ver­bot in Schwimm­bä­dern der Stadt Ko­blenz gleich­heits­wid­rig

Das Bur­ki­ni-Ver­bot in Schwimm­bä­dern der Stadt Ko­blenz ver­stö­ßt gegen das ver­fas­sungs­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­ge­bot. Dies hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ko­blenz mit Be­schluss vom 12.06.2019 in einem Eil­ver­fah­ren ent­schie­den. Die ent­spre­chen­de Re­ge­lung über die zu­läs­si­ge Ba­de­klei­dung in der städ­ti­schen Haus- und Ba­de­ord­nung führe den mit ihr ver­folg­ten Ge­sund­heits­schutz­zweck nicht kon­se­quent durch und be­hand­le Bur­ki­ni-Trä­ge­rin­nen und Trä­ger von Neo­pren­an­zü­gen ohne sach­li­che Recht­fer­ti­gung un­gleich (Az.: 10 B 10515/19.OVG).

Bur­ki­ni-Ver­bot in Ko­blen­zer Schwimm­bä­dern 

Die Haus- und Ba­de­ord­nung für die Bäder der Stadt Ko­blenz ent­hält seit dem 01.01.2019 eine Re­ge­lung über die zu­läs­si­ge Ba­de­klei­dung, wo­nach der Auf­ent­halt im Nass­be­reich nur in Bade­hose, Ba­de­an­zug, Bi­ki­ni oder Ba­des­horts ge­stat­tet ist. Neo­pren­an­zü­ge sind für Leis­tungs­schwim­mer und Tri­ath­le­ten im Rah­men des Schwimm­trai­nings zu­ge­las­sen. Im Rah­men des Schul­schwim­mens wird das Tra­gen eines Bur­ki­nis er­laubt.

Mus­li­min sieht ihre Grund­rech­te ver­letzt

Die An­trag­stel­le­rin, eine sy­ri­sche Asyl­be­wer­be­rin, mach­te mit ihrem gegen diese Re­ge­lung ge­stell­ten Nor­men­kon­troll­an­trag gel­tend, sie sei eine gläu­bi­ge Mus­li­min und leide an einer Rü­cken­krank­heit, auf­grund derer der Be­such eines Schwimm­ba­des drin­gend er­for­der­lich sei, um ihre Schmer­zen zu lin­dern, wie ihr ärzt­lich be­schei­nigt wor­den sei. Auf­grund ihres Glau­bens könne sie nur in einem so­ge­nann­ten Bur­ki­ni schwim­men gehen, der bis auf das Ge­sicht, die Hände und Füße den ge­sam­ten Kör­per be­de­cke. Die Re­ge­lung der Haus- und Ba­de­ord­nung ver­let­ze sie durch den Aus­schluss des Tra­gens eines Bur­ki­nis in ihren Grund­rech­ten der Glau­bens­frei­heit sowie der all­ge­mei­nen Hand­lungs­frei­heit und ver­sto­ße auch gegen den verfassungs­rechtlichen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz. Sie stell­te zu­gleich einen Eil­an­trag auf Au­ßer­kraft­set­zung der Re­ge­lung bis zu einer Ent­schei­dung über den Nor­men­kon­troll­an­trag.

OVG: Bur­ki­ni-Ver­bot gleich­heits­wid­rig – Ge­sund­heits­schutz­zweck nicht kon­se­quent ver­folgt

Das OVG hat dem Eil­an­trag statt­ge­ge­ben. Die Re­ge­lung in der Ko­blen­zer Ba­de­ord­nung über die zu­läs­si­ge Ba­de­klei­dung ver­stoße gegen das ver­fas­sungs­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­ge­bot. Der Stadt­rat habe das in der Re­ge­lung ent­hal­te­ne Bur­ki­ni-Ver­bot letzt­lich damit be­grün­det, dass bei voll­ständiger Be­klei­dung der Ba­de­gäs­te die Kon­trolle, ob diese unter an­sto­ß­er­re­gen­den Krank­hei­ten, mel­de­pflich­ti­gen Krank­hei­ten im Sinne des Bun­des­seu­chen­ge­set­zes, of­fe­nen Wun­den oder Haut­aus­schlä­gen lit­ten, un­mög­lich sei. Die Re­ge­lung diene zwar dem Schutz der Ba­de­gäs­te vor Ge­sund­heits­ge­fah­ren durch die Er­möglichung der Kon­trol­le un­be­deck­ter Kör­perteile. Die­ser Zweck werde von der Be­stimmung aber nicht kon­se­quent durch­ge­hal­ten. Viel­mehr be­las­te sie die Trä­ge­rin­nen von Bur­ki­nis ohne zu­rei­chen­de sach­li­che Grün­de stär­ker als ver­gleich­ba­re an­de­re Grup­pen von Ba­de­gäs­ten, wel­che die städ­ti­schen Schwimm­bä­der mit Ba­de­be­klei­dung nut­zen dürf­ten, die den Kör­per eben­falls weit­ge­hend be­de­cke.

Zu­las­sung von Neo­pren­an­zü­gen sach­lich nicht ge­recht­fer­tigt

Laut OVG kann dabei of­fen­blei­ben, ob plau­si­ble Grün­de dafür be­stün­den, die Trä­ge­rin­nen von Bur­ki­nis an­ders zu be­han­deln als die Trä­ge­rin­nen von Ba­de­an­zü­gen, die – je nach Schnitt - we­sent­lich grö­ße­re Teile des Kör­pers be­deck­ten als Bi­ki­nis. Jeden­falls sei eine aus­rei­chen­de sach­li­che Recht­fer­ti­gung dafür, dass die an­ge­grif­fe­ne Vor­schrift Neo­pren­an­zü­ge für Leis­tungs­schwim­mer und Tri­athleten im Rah­men des Schwimm­trai­nings zu­las­se, im Hin­blick auf das den Ge­sund­heits­schutz der Ba­de­gäs­te verfol­gende Regelungs­konzept der An­trags­geg­ne­rin nicht er­kenn­bar. Neo­pren­an­zü­ge könn­ten eben­so wie Bur­ki­nis den gan­zen Kör­per be­de­cken und hät­ten unter Umstän­den auch eine Kopf­haube, sie lie­ßen daher zur Kon­trol­le durch das Ba­de­per­so­nal nicht we­ni­ger Körper­teile frei als Bur­ki­nis.

Be­schrän­kung auf Schwimm­trai­ning än­dert Be­ur­tei­lung nicht

Dass Neo­pren­an­zü­ge nur wäh­rend des Schwimm­trai­nings zu­gelassen seien, än­de­re daran nichts, so das OVG wei­ter. Da­durch dürf­te zwar die Zahl der Ba­de­gäs­te, die in einem sol­chen schwim­men, und folg­lich auch die von ihnen aus­ge­hen­den po­ten­ti­el­len Gesundheits­gefahren, eher ge­ring sein. Dies gelte aber in glei­cher Weise für die Trä­ge­rin­nen von Bur­ki­nis, weil nach den An­ga­ben der Stadt Ko­blenz die städ­ti­schen Schwimm­bäder zur­zeit von nur fünf Burkini-Träge­rinnen be­sucht wür­den. Im Üb­ri­gen blei­be auch un­klar, warum der Schutz vor Ge­sund­heits­ge­fah­ren nach­rangig sei, wenn der Bur­ki­ni im Rah­men des Schul­schwim­mens ge­tra­gen werde. Eine wirk­sa­me Kon­trol­le durch das Lehr­per­so­nal er­schei­ne lebens­fremd.

OVG Koblenz, Beschluss vom 12.06.2019 - 10 B 10515/19.OVG

Redaktion beck-aktuell, 14. Juni 2019.

Mehr zum Thema