Beamter kann amtsärztliche Untersuchungsanordnung isoliert angreifen

Ein Beamter kann eine amtsärztliche Untersuchungsanordnung zur Feststellung seiner Dienstfähigkeit nicht nur im Rahmen des Verfahrens gegen die nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung inzident gerichtlich überprüfen lassen, sondern auch isoliert angreifen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem Eilrechtsschutzverfahren entschieden. Es weicht damit von der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ab.

Eilrechtsschutz gegen Anordnung amtsärztlicher Untersuchung begehrt

Ein Polizeibeamter wurde bei einer nächtlichen Polizeikontrolle angetroffen, als er mit seinem Wagen im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit unterwegs war. Die Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,79 Promille. Zudem wurden Benzodiazepine in seinem Blut festgestellt. Nach einer Untersuchung durch den polizeiärztlichen Dienst ordnete das Land gegenüber dem Polizeibeamten eine amtsärztliche fachpsychiatrische Untersuchung an. Dagegen erhob der Beamte Widerspruch und beantragte beim Verwaltungsgericht Koblenz, ihn von der angeordneten Untersuchung vorläufig freizustellen. Das VG lehnte den Eilantrag als unzulässig ab, weil die Untersuchungsanordnung nicht isoliert angreifbar sei. Dagegen legte der Antragsteller Beschwerde ein.

OVG: Untersuchungsanordnung isoliert angreifbar

Die Beschwerde hatte Erfolg. Das OVG hat den VG-Beschluss aufgehoben und dem Eilantrag stattgegeben. Abweichend vom BVerwG ist das OVG der Ansicht, dass § 44a S. 1 VwGO der Zulässigkeit des Eilantrags gegen die amtsärztliche Untersuchungsanordnung nicht entgegenstehe. Nach dieser Regelung könnten Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen nicht isoliert, sondern nur mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Das OVG lässt es offen, ob es sich bei der Untersuchungsanordnung um eine Verfahrenshandlung handelt. Jedenfalls greife vorliegend die Ausnahmeregelung des § 44a S. 2 VwGO, wonach Verfahrenshandlungen, die vollstreckt werden könnten, isoliert angreifbar seien. Bei derartigen Verfahrenshandlungen wäre der Ausschluss einer isolierten Anfechtung mit der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie nicht in Einklang zu bringen, weil bis zur Sachentscheidung bereits der Eintritt eines irreparablen Zustandes drohe.

Wegen möglicher disziplinarischer Ahndung "vollstreckbare Verfahrenshandlung"

Dabei umfasse der Begriff der vollstreckbaren Verfahrenshandlungen auch solche, die zwar nicht mit Zwangsmitteln vollstreckbar seien, aber mit Disziplinarmaßnahmen geahndet werden könnten. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass es dem Betroffenen nicht zuzumuten sei, eine streitige Frage in ein Straf- oder Bußgeldverfahren hineinzutragen, um sie dort erstmals einer gerichtlichen Klärung zuzuführen, also die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen "auf der Anklagebank" erleben zu müssen. Gleiches müsse für das Disziplinarverfahren gelten, in dessen Rahmen Sanktionen möglich seien, die in ihrer Wirkung einem Bußgeld oder einer Strafe nahekommen.

Anordnung fachpsychiatrischer Untersuchung nach Trunkenheitsfahrt unverhältnismäßig

Der Eilantrag habe auch in der Sache Erfolg. Die an den Antragsteller gerichtete Aufforderung, sich einer fachpsychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, genüge nicht den rechtlichen Anforderungen, insbesondere nicht dem stets zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Trunkenheitsfahrt rechtfertige die angeordnete Untersuchung nicht. Mangels weiterer Tatsachen für eine Alkoholsucht sei die Untersuchung nicht erforderlich. Als milderes Mittel könnten etwa zunächst unangekündigte Alkoholtests zu Beginn und während des Dienstes durchgeführt werden. Der Konsum des Beruhigungsmittels Diazepam könne gleichfalls die angeordnete Untersuchung nicht rechtfertigen, da das Medikament ärztlich verordnet worden sei.

OVG Koblenz, Beschluss vom 29.10.2020 - 2 B 11161/20.OVG

Redaktion beck-aktuell, 18. November 2020.