Wiederholte Kontrolle durch Polizei
Der Kläger war wiederholt auf St. Pauli innerhalb eines von der Polizei als Kriminalitätsschwerpunkt ausgewiesenen "gefährlichen Ortes" kontrolliert worden. Er sah hierin diskriminierende und stigmatisierende Identitätsfeststellungen, für die seine Herkunft und seine Hautfarbe maßgeblich gewesen seien, und klagte. Gegenstand des Berufungsverfahrens vor dem OVG war nur noch eine Identitätskontrolle, die am 15.11.2017 in der Balduinstraße stattgefunden hatte. Das OVG hatte entschieden, dass diese Identitätskontrolle rechtmäßig gewesen ist.
OVG: Gefahrenverdacht für Identitätskontrolle ausreichend
Die Beklagte habe diese Maßnahme zum einen auf die Standardbefugnis zur Identitätskontrolle des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 PolDVG a.F. (nun § 13 Abs. 1 Nr. 1 PolDVG) stützen können. Danach dürfe die Polizei die Identität einer Person feststellen, soweit es im Einzelfall zur Abwehr einer bevorstehenden Gefahr erforderlich sei. Das Vorliegen eines Gefahrenverdachtes sei ausreichend. Die Polizei müsse das Vorliegen einer Gefahr für zumindest möglich halten, auch wenn sie noch nicht abschließend sicher sei, ob tatsächlich von einer Gefahr ausgegangen werden könne.
"Szenetypisches" Verhalten rechtfertigte Kontrolle
Ein derartiger Gefahrenverdacht habe nach der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des zuständigen Senats im Zeitpunkt der Kontrolle bestanden. Danach hätten sich der Kläger und sein Begleiter vor dem Hintergrund polizeibekannter, typischer Verhaltensmuster von Drogendealern zum maßgeblichen Zeitpunkt "szenetypisch" verhalten, sodass die Polizei zumindest von der Möglichkeit einer auf der Grundlage des Betäubungsmittelgesetzes strafbaren Handlung habe ausgehen dürfen. Auch wenn die maßgeblichen Verhaltensweisen – enges Beieinandergehen, Umschauen, Bewegungen an den Taschen, Erhöhung der Laufgeschwindigkeit – einzeln und für sich genommen alltäglich seien, habe in diesem Einzelfall gerade die Kumulation dieser Verhaltensweisen einen Gefahrenverdacht begründet.
Hautfarbe nicht ausschlaggebend für Kontrolle
Ein Verstoß gegen den besonderen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG – hier die Differenzierung anhand der Hautfarbe als Teil des Merkmals "Rasse" – liege nicht vor, so das OVG weiter. Dafür hätte es zumindest eines kausalen Zusammenhangs zwischen Kontrolle und der Hautfarbe des Klägers bedurft. Der Kläger sei aber nicht "wegen" seiner Hautfarbe, sondern aufgrund konspirativer Verhaltensweisen kontrolliert worden. Das OVG stellt in diesem Zusammenhang klar, dass die Polizei bei der Gefahrenabwehr in bestimmten Konstellationen das äußere Erscheinungsbild von Personen berücksichtigen dürfe. Zur Beschreibung einer einer Straftat verdächtigen Person dürfe auch deren Hautfarbe angegeben werden, solange es sich um eine sachliche Personenbeschreibung und nicht um eine Perpetuierung von rassistischen, irrationalen, stigmatisierenden oder haltlosen Vorurteilen handele.
Aufenthalt an "gefährlichem Ort" kann Kontrolle rechtfertigen
Die Identitätsfeststellung habe darüber hinaus auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Nr. 2a PolDVG a.F. (nun § 13 Abs. 1 Nr. 2a PolDVG), wonach die Polizei die Identität einer Person feststellen dürfe, wenn sie an einem "gefährlichen Ort" angetroffen werde, vorgenommen werden dürfen. Die Vorschrift sei verfassungsgemäß und bedürfe auch keiner verfassungskonformen Einschränkung. Sich aus der Weite des Tatbestandes ergebende Konflikte mit den Grundrechten von an einem "gefährlichen Ort" angetroffenen Personen müssten im Einzelfall auf der Ebene des Ermessens und der Verhältnismäßigkeit bewältigt werden.
Verbindung zu prägenden Ortsgefahren erforderlich
In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, ob die Person aufgrund ihres Verhaltens mit den Ortsgefahren des jeweiligen gefährlichen Ortes in Verbindung gebracht werden könne, so das OVG. Zudem dürften die Merkmale des Art. 3 Abs. 3 GG nicht ausschlaggebend für die Anordnung einer Identitätsfeststellung sein. Die wiederholte bewusste Kontrolle ein und derselben Person in engen zeitlichen Abständen bedürfe jedenfalls dann einer besonderen Rechtfertigung, wenn die vorangegangenen Kontrollen ergebnislos verlaufen seien. Danach sei auch die Kontrolle des Klägers verhältnismäßig gewesen. Es habe aufgrund seines Verhaltens eine hinreichende Verbindung zu den prägenden Ortsgefahren bestanden. Die Kontrolle habe auch nicht in einer gegen den Gleichheitssatz verstoßenden Art und Weise an die Hautfarbe des Klägers angeknüpft. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.