Referendar muss sich Corona-Sonderzahlung auf Unterhaltsbeihilfe anrechnen lassen

Ein Rechtsreferendar in Hamburg, der sich gegen die Anrechnung einer von ihm aus einer Nebentätigkeit in einer Anwaltskanzlei erhaltenen "Corona-Sonderzahlung" auf seine Unterhaltsbeihilfe wandte, ist mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Hamburg gescheitert. Der Begriff der Gegenleistung in der Anrechnungsregelung sei weit auszulegen. Denn eine höhere Vergütung für die Nebentätigkeit könne aufgrund eines gesteigerten Loyalitätsgefühls zum Nebentätigkeits-Arbeitgeber zu einer Vernachlässigung der Ausbildung führen.

Corona-Sonderzahlung aus Nebentätigkeit auf Unterhaltsbeihilfe angerechnet

Ein Rechtsreferendar befand sich seit Anfang Juni 2020 in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis mit der Stadt Hamburg und erhielt dafür eine monatliche Unterhaltsbeihilfe. Neben dem Referendariat arbeitete er für eine Anwaltskanzlei als juristischer Mitarbeiter und erhielt dafür seit Juni 2020 ein Bruttogehalt in Höhe von 700 Euro. Im Juli 2020 erhielt er zusätzlich eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 1.500 Euro. Laut eines Schreibens der Kanzlei handelte es sich bei dieser Zahlung um eine steuerfreie Corona-Unterstützung. Die Stadt rechnete die Corona-Sonderzahlung auf die Unterhaltsbeihilfe gemäß § 3 der Verordnung über die Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare (UnterhaltsbeihilfeVO) an, wonach die 510 Euro übersteigende Vergütung aus der Nebentätigkeit zur Hälfte auf die Unterhaltsbeihilfe angerechnet wird.

VG legte Anrechnungsregelung weit aus

Der gegen die Anrechnung eingelegte Widerspruch und die nachfolgende Klage vor dem VG Hamburg blieben ohne Erfolg. Das VG legte die Anrechnungsregelung weit aus. Die Leistungen müssten nicht in einem synallagmatischen Verhältnis stehen, es genüge eine Verbindung zum Arbeitsverhältnis im Allgemeinen. Für ein weites Verständnis des Begriffs der Gegenleistung spreche der Zweck der Regelung, die Erreichung der Ausbildungsziele sicherzustellen. Eine höhere Vergütung für die Nebentätigkeit könne aber dazu führen, dass Referendarinnen und Referendare aufgrund eines gesteigerten Loyalitätsgefühls zu ihrem Nebentätigkeits-Arbeitgeber Zeit und Arbeitskraft in die Nebentätigkeit in einem Maße investieren, dass die Erreichung der Ausbildungsziele gefährde.

Referendar hält Wortlautgrenze für überschritten

Der Referendar beantragte anschließend die Zulassung der Berufung. Er sah die Wortlautgrenze durch die Auslegung des VG überschritten. Unter einer "Gegenleistung" sei eine Leistung zu verstehen, die als Ausgleich für eine erbrachte oder erwartete Leistung erwartet werde. Auch die teleologische Argumentation des VG beanstandete er. Es bestehe kein Erfahrungssatz dahin, dass jeder zusätzliche geldwerte Vorteil zu einer "gefährlichen" Erhöhung der "empfundenen Loyalität" dem Arbeitgeber gegenüber führe. Nicht jeder Loyalitätsgewinn zugunsten des Nebentätigkeits-Arbeitgebers müsse zudem bei dem Referendar spiegelbildlich zu einem die Ausbildungsziele gefährdenden Verpflichtungsgefühl führen. Jeder Referendar wisse um die Bedeutung der Noten in den Stationszeugnissen sowie insbesondere der Noten in der Zweiten juristischen Staatsprüfung für seine späteren Chancen auf dem juristischen Arbeitsmarkt. Ferner rügte der Referendar, das VG sei ohne weitere Prüfung von der formellen Rechtmäßigkeit der UnterhaltsbeihilfeVO ausgegangen, obwohl es an einer Begründung insgesamt und insbesondere an einer Begründung der Anrechnungsregelung fehle.

OVG: Begriff der Gegenleistung weit auszulegen

Das OVG hat den Antrag abgelehnt. Aus der Antragsbegründung ergäben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Entgegen der Ansicht des Klägers habe das VG die Wortlautgrenze des § 3 Abs. 1 Satz 1 UnterhaltsbeihilfeVO nicht überschritten. Die Klarstellung des § 3 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 UnterhaltsbeihilfeVO, wonach die Vergütung "jede Gegenleistung in Geld oder geldwerten Vorteile umfasst, auch wenn kein Rechtsanspruch auf sie besteht", spreche für eine weite Auslegung des Begriffs der Gegenleistung und gegen die Annahme eines strengen synallagmatischen Verhältnisses im Sinne eines "do ut des". Denn mit dem Zusatz, dass auf die Gegenleistung kein Rechtsanspruch bestehen müsse, dürfte der Verordnungsgeber laut OVG gerade bezweckt haben, auch solche Leistungen und geldwerten Vorteile des Arbeitgebers von der Anrechnungsregel zu erfassen, zu denen dieser sich vertraglich nicht verpflichtet habe, die aber gleichwohl in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis stünden. Anders als der Kläger meine, konkretisiere der Zusatz den Begriff der Gegenleistung nicht nur, sondern erweitere ihn. Für diese weite begriffliche Auslegung spreche auch die Erfassung jeder geldwerten Vorteile.

Höhere Vergütung stärkt Loyalität zum Arbeitgeber und kann Ausbildungsziele gefährden

Auch die teleologische Argumentation des VG teilt das OVG. Mit den klägerischen Erwägungen zur Kenntnis der Notenbedeutung könnte laut OVG streng genommen auf die gesamte Anrechnungsregel verzichtet werden, da aus einer Vergütung, egal wie hoch sie sei, ohnehin keine "Fehlanreize" für die Ausbildung herrühren könnten. Dies entspreche aber nicht dem im Verordnungstext klar zum Ausdruck kommenden Willen des Verordnungsgebers. Ferner dürfte es allgemeiner Lebenserfahrung entsprechen, dass eine höhere Vergütung jedenfalls tendenziell zu einer Erhöhung der Motivation und des Loyalitätsgefühls des Arbeitnehmers und damit zu einer Erhöhung seiner Bereitschaft führe, Zeit und Arbeitskraft in das Arbeitsverhältnis zu investieren. Eben dies dürfte etwa mit vergleichsweise hohen Vergütungen, Gehaltserhöhungen, Leistungsprämien und Lohnzusatzleistungen sowie auch mit der Corona-Sonderzahlung bezweckt werden, die es sonst in der Praxis kaum geben würde. Hieran orientiere sich die Anrechnungsregelung des § 3 Abs. 1 der UnterhaltsbeihilfeVO. Sie halte Referendare zwar nicht von jedweder Nebentätigkeit ab, vermindere aber jenseits des Freibetrages von 510 Euro die Attraktivität entgeltlicher Nebentätigkeiten.

Kein Begründungserfordernis für UnterhaltsbeihilfeVO

Auch der vom Kläger geltend gemachte Begründungsmangel hinsichtlich der Verordnung begründet laut OVG keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Ein solches Begründungserfordernis lasse sich weder dem Grundgesetz noch der Hamburgischen Verfassung ausdrücklich entnehmen. Zudem hält das OVG es für problematisch, aus vergleichsweise abstrakten verfassungsrechtlichen Prinzipien wie dem Rechtsstaatsprinzip konkrete formelle Rechtspflichten bestimmter Adressaten abzuleiten. Ferner sorge bereits Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG dafür, dass jede Rechtsverordnung jedenfalls einen "Begründungssplitter" enthält, und mache die Verordnungsgebung zudem verwaltungsintern diszipliniert und verwaltungsextern transparent und überprüfbar. Dies spreche gegen eine darüberhinausgehende, übergreifende verfassungsrechtliche Begründungspflicht für alle Rechtsverordnungen. Eine einfachgesetzliche Begründungspflicht gebe es für die Unterhaltsbeihilfe nicht.

OVG Hamburg, Beschluss vom 02.11.2022 - 5 Bf 184/21.Z

Redaktion beck-aktuell, 9. November 2022.