Anwohner erzielen Teilerfolg in Streit um aufgesetztes Gehwegparken

Anwohner einer Straße, in der aufgesetztes Gehwegparken praktiziert wird, haben einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, wenn der Gehweg durch das aufgesetzte Parken in seiner Funktion beeinträchtigt wird. Eine solche Funktionsbeeinträchtigung liegt laut Oberverwaltungsgericht Bremen vor, wenn auf den Gehwegen nicht mehr genügend Platz für die Fußgänger verbleibt.

Anwohner fordern Maßnahmen gegen aufgesetztes Gehwegparken

Die Kläger waren beziehungsweise sind Eigentümer und Bewohner von Wohnhäusern in bremischen Straßen, in denen seit Jahren auf beiden Straßenseiten aufgesetzt auf den Gehwegen geparkt wird, obwohl dies nicht durch Verkehrszeichen erlaubt wurde. Den Antrag der Kläger auf Einschreiten gegen diesen verkehrsordnungswidrigen Zustand lehnte die Straßenverkehrsbehörde ab. Mit ihrer Klage machten die Kläger geltend, dass die Straßenverkehrsbehörde geeignete Maßnahmen gegen das aufgesetzte Gehwegparken ergreifen und diese anschließend evaluieren müsse. Dem ist das Verwaltungsgericht Bremen in der ersten Instanz im Wesentlichen gefolgt. Die Kläger als Anwohner von Straßen, in denen nicht nur vereinzelt, sondern dauerhaft verkehrsordnungswidrig auf den Gehwegen geparkt werde, seien berechtigt, von der Straßenverkehrsbehörde ein Einschreiten zu verlangen.

Aufgesetztes Parken erfordert spezielle Erlaubnis

Das OVG hat diese Entscheidung im Kern bestätigt, der Straßenverkehrsbehörde aber ein größeres Ermessen bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen eingeräumt. Das aufgesetzte Parken verstoße gegen das aus § 12 Abs. 4 und 4a StVO abzuleitende Verbot, Gehwege ohne spezielle Erlaubnis zum Abstellen von Kraftfahrzeugen zu nutzen. Dieses allgemeine Verbot werde in den Wohnstraßen der Kläger offensichtlich nicht beachtet. Hiergegen könne die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes straßenverkehrsrechtliche Anordnungen treffen. Grundsätzlich lägen auch die Voraussetzungen für die Durchführung von Abschleppmaßnahmen vor. Die Parkvorschriften in § 12 Abs. 4 und 4a StVO dienten zwar in erster Linie der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und damit grundsätzlich dem Interesse der Allgemeinheit. Das OVG geht jedoch davon aus, dass dem Verbot des Gehwegparkens auch eine individualschützende Funktion zukommt, da es erkennbar den Interessen derjenigen dient, die den Gehweg zulässigerweise benutzen.

Individualschutz von Grad der Beeinträchtigung abhängig

Dies bedeute jedoch nicht, dass dieser Individualschutz in jedem Fall, das heißt unabhängig vom Grad der Beeinträchtigung, gewährt werden müsste, so das OVG weiter. Vielmehr bestehe ein solcher Schutz nur, wenn die Belange dieser Nutzer in einer qualifizierten und individualisierten Weise betroffen sind. Dies ist nach Ansicht des OVG dann der Fall, wenn eine für die Betroffenen unzumutbare Funktionsbeeinträchtigung des Gehweges eintritt. Dies sei nicht erst dann der Fall, wenn Fußgänger nicht mehr oder nur mit Mühe an parkenden Fahrzeugen vorbeikommen oder ein Fußgängergegenverkehr erschwert wird. Es genüge nicht, wenn nur ein schmaler Engpass verbleibe, den Rollstuhlfahrer oder Personen mit Kinderwagen "mit Mühe und Not" passieren können. Vielmehr müsse auch ein Begegnungsverkehr unter ihnen und mit Fußgängern möglich bleiben. Hiervon ausgehend hat das Gericht für die Kläger eine unzumutbare Funktionsbeeinträchtigung der Gehwege bejaht, weil in ihren Straßen durch das aufgesetzte Parken Restgehwegbreiten von weniger als 1,50 Metern auf annähend der gesamten Länge der vorhandenen Gehwege verbleiben. Ein Begegnungsverkehr sei hier nicht mehr möglich.

Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung

Die Kläger hätten folglich einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein behördliches Einschreiten. Eine Pflicht der Straßenverkehrsbehörde, unmittelbar gegen die verkehrsordnungswidrig parkenden Fahrzeuge einzuschreiten, besteht nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht. Dies begründet es damit, dass die betroffenen Gehwege in den Straßen der Kläger noch immer – wenn auch eingeschränkt – nutzbar sind und Rechtsgüter von überragender Bedeutung, wie etwa die Gesundheit, nicht konkret gefährdet sind. So müssten Gehwegnutzer in den betroffenen Straßen nicht auf die Straße ausweichen. Der Ermessenspielraum der Behörde bleibe auch in Anbetracht der Dauer und Häufigkeit der Verstöße bestehen. Diesen Punkt habe die Vorinstanz noch anders gesehen. Nach Auffassung des OVG ist die Behörde dagegen gehalten, bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Problem des unerlaubten Gehwegparkens um eine Praxis handelt, die in den innerstädtischen Lagen weit verbreitet und über Jahrzehnte weitestgehend geduldet worden ist.

Behörde darf besonders stark betroffene Straßen priorisieren

Vor diesem Hintergrund hält es das OVG für sachgerecht, wenn die Behörde innerhalb eines Konzepts für ein stadtweites Vorgehen zunächst den Problemdruck in den am stärksten betroffenen Quartieren ermittelt. Soweit dabei geplant sei, die Straßen mit besonders geringen verbleibenden Restgehwegbreiten priorisiert zu behandeln, sei dagegen nichts einzuwenden. Der Verweis auf ein Konzept werde aber die Ermessensentscheidung nur solange tragen, wie dieses auch tatsächlich und nachvollziehbar umgesetzt wird. Das OVG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen.

OVG Bremen, Urteil vom 13.12.2022 - 1 LC 64/22

Redaktion beck-aktuell, 6. März 2023.