Klimaschutzprogramm unzureichend: Bundesregierung muss nachbessern
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) © photothek | Florian Gaertner

Erfolg für die Deutsche Umwelthilfe (DUH): Die Bundesregierung muss beim Klimaschutz nachbessern. Das OVG Berlin-Brandenburg hat das im Oktober letzten Jahres beschlossene Klimaschutzprogramm für unzureichend erachtet, um das im Klimaschutzgesetz für 2030 festgelegte Klimaziel zu erreichen.

Das Klimaschutzprogramm erfülle die gesetzlichen Vorgaben nicht vollständig, so das OVG (Urteil vom 16.05.2024 – OVG 11 A 22/21, OVG 11 A 31/22). Es halte die verbindlichen Klimaschutzziele nicht ein. Das Klimaschutzprogramm gilt als eine Art Gesamtplan der Bundesregierung, um diese Ziele zu erreichen. Es listet zahlreiche Maßnahmen in den Sektoren Verkehr, Energie, Gebäude, Industrie und Landwirtschaft auf. Schon jetzt, so die Richter und Richterinnen weiter, sei absehbar, dass von 2024 bis 2030 viele Sektoren die zulässigen Mengen an ausgestoßenen Treibhausgasen überschreiten werden – voraussichtlich mit Ausnahme der Landwirtschaft. Zudem rügte das OVG methodische Mängel des Programms und stellte fest, dass es teilweise auf unrealistischen Annahmen beruhe.

Mit den bisher vorgelegten Maßnahmen der Bundesregierung klaffe bis 2030 eine Gesamtlücke von circa 200 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalenten, erläuterte die Vorsitzende Richterin Ariane Holle. Das sei die Menge an Treibhausgasen, die Deutschland bis dahin zusätzlich einsparen müsste, um die Klimaziele erreichen zu können. Das Urteil könnte daher weitreichende Folgen für die Politik der Ampel-Regierung haben - sofern es umgesetzt werden muss. Denn die Bundesregierung kann noch in Revision gehen. Dann wäre das BVerwG am Zug. Auf Anfrage wollte sich die Bundesregierung am Abend zunächst nicht zu ihrem weiteren Vorgehen äußern.

Bleibt es bei dem Urteil, muss die Bundesregierung zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Dabei geht es nicht nur um die Erreichung des Klimaschutzziels nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 KSG für das Jahr 2030, eine Verringerung der Emissionen im Vergleich zu 1990 um 65% zu erreichen. Die Regierung muss zudem dafür sorgen, dass die in Anlage 2 zum Gesetz festgelegten sektorspezifischen Jahresemissionsmengen erreicht werden.

Die DUH war zuletzt schon einmal juristisch gegen die Klimapolitik der Bundesregierung vorgegangen und hatte im November 2023 einen Sieg errungen. Damals hatte ebenfalls das OVG Berlin-Brandenburg geurteilt, dass die Regierung ein Klima-Sofortprogramm in den Sektoren Verkehr und Gebäude auflegen muss. Dagegen läuft die Revision beim BVerwG.

Neues Gesetz: Klimaschutz vor Änderungen

Das aktuelle Klimaschutzgesetz schreibt für jeden Sektor jährliche Ziele zur Senkung der schädlichen Treibhausgase vor. Werden diese in einzelnen Sektoren in einem Jahr verfehlt, wie im Verkehr- und Gebäudesektor geschehen, muss das jeweils zuständige Ministerium mit einem Sofortprogramm gegensteuern.

Diese Systematik wird sich allerdings bald ändern. Ende April beschloss der Bundestag eine umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes, vor allem auf Betreiben des Koalitionspartners FDP, die der Bundesrat am Freitag bestätigte. Die Einhaltung der Klimaziele soll demnach nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Klimaschützer sehen darin eine Aufweichung der Ziele - da einzelne Sektoren dadurch nicht mehr so wie bisher in die Pflicht genommen würden. Entscheidend ist der Neuerung zufolge, dass die Klimaziele insgesamt erreicht werden.

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch forderte nach dem Urteil, die Bundesregierung müsse nun rasch handeln und das Klimaschutzprogramm kurzfristig nachbessern. Eine wesentliche Forderung seines Vereins ist ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen, auf anderen Straßen außerhalb von Ortschaften Tempo 80 und innerorts Tempo 30.

OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.05.2024 - 11 A 22/21

Redaktion beck-aktuell, bw, 17. Mai 2024 (ergänzt durch Material der dpa).