Ukrainische Flagge bei kleiner Versammlung in Berlin verboten

Eine kleine Versammlung am Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst anlässlich des 77. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges darf keine ukrainischen Flaggen zeigen und keine ukrainischen Marsch- und Militärlieder spielen. Das hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestern entschieden und damit eine anderslautende Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom selben Tag geändert und eine entsprechende Allgemeinverfügung der Polizei bestätigt. 

Antragsteller geht gegen polizeiliches Flaggenverbot per Eilantrag vor

Der in Baden-Württemberg lebende Antragsteller hatte für den 09.05.2022 von 21:30 bis 22 Uhr eine Versammlung mit wenigen Teilnehmenden vor dem Deutsch-Russischen Museum in Berlin Karlshorst angezeigt. Nach einer Allgemeinverfügung der Polizei Berlin vom 04.05.2022 ist allerdings das Zeigen von Fahnen und Flaggen mit ukrainischem Bezug und das Abspielen und Singen ukrainischer Marsch- bzw. Militärlieder in verschiedenen Bereichen, unter anderem im Umfeld des Museums in Karlshorst verboten. Mit den umstrittenen Auflagen wollen die Sicherheitsbehörden nach eigener Aussage verhindern, dass das Weltkriegsgedenken von möglichen Konflikten im Zusammenhang mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine überschattet wird. Hiergegen hatte der Antragsteller beim VG Berlin beantragt, die aufschiebende Wirkung gegen die Allgemeinverfügung wiederherzustellen.

VG Berlin erlaubt das Zeigen ukrainischer Flaggen - Gefährdung verneint

Das VG hatte dem Eilantrag am 09.05.2022 zunächst stattgegeben und entschieden, dass der Eilantrag nicht rechtsmissbräuchlich sei. Das Interesse des Antragstellers, beschränkt auf die von ihm geplante Versammlung und das Zeigen von Fahnen und Flaggen mit ukrainischem Bezug sowie das Abspielen und Singen ukrainischer Marsch- bzw. Militärlieder, überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Allgemeinverfügung. Laut VG konnte die Beschränkung der Durchführung der Versammlung weder auf § 14 Abs. 1 noch auf § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin gestützt werden. Denn es fehlten jegliche Anhaltspunkte, um von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, insbesondere der Individualrechtsgüter Dritter, durch die Versammlung des Antragstellers auszugehen. Die Allgemeinverfügung beziehe sich in ihrer Begründung insoweit auf Erkenntnisse von Versammlungen mit pro-russischem Bezug. Ein solcher sei bei der geplanten Versammlung jedoch erkennbar nicht gegeben.

OVG kippt Entscheidung auf Beschwerde hin

Weiter stellte das VG fest, dass die Beschränkung auch nicht zum Schutz der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sei. Hierfür fehle es der Versammlung des Antragstellers offenbar an einer Art und Weise der Durchführung, die geeignet sei, einschüchternd zu wirken. Das Gericht verwies auf die geringe Teilnehmerzahl und die kurze Dauer zu einer Tagesrandzeit. Zudem sei kein zentral gelegener Ort für die Veranstaltung gewählt worden und es sei bei einer Versammlung dieser Größe davon auszugehen, dass die vor Ort befindlichen Polizeibeamten unschwer entsprechende Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung treffen und durchsetzen könnten. Diese Argumente teilte das OVG jedoch nicht und hat später am Tag auf die Beschwerde des Antragsgegners hin die Entscheidung des VG gekippt und ein Flaggenverbot auch für diesen Fall bejaht. Es verbleibe demnach auch insoweit bei den Regelungen der Allgemeinverfügung der Polizei Berlin, teilte das OVG am Montagabend mit. Wegen der Eilbedürftigkeit der Sache ist die Entscheidung laut Gericht zunächst ohne schriftliche Begründung ergangen.

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.05.2022 - 1 S 35/22

Gitta Kharraz, Redaktion beck-aktuell, 10. Mai 2022 (ergänzt durch Material der dpa).