Brandenburger Beherbergungsverbot vorläufig außer Vollzug gesetzt
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Auch das Brandenburger Beherbergungsverbot gilt vorerst nicht mehr. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat den zugrunde liegenden § 7 Abs. 2 der aktuellen SARS-CoV-2-Umgangsverordnung des Landes auf zwei Eilanträge vorläufig außer Vollzug gesetzt. Unter anderem liege ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragsteller vor. Entscheidungen zum Beherbergungsverbot ergingen auch in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Regelung vorläufig außer Vollzug gesetzt

Nach § 7 Abs. 2 der brandenburgischen SARS-CoV-2-Umgangsverordnung dürfen Beherbergungsbetriebe keine Gäste aufnehmen, die aus einem Landkreis, einer kreisfreien Stadt oder einem Stadtstaat der Bundesrepublik anreisen oder dort ihren Wohnsitz haben, in dem oder in der in den letzten sieben Tagen vor der Anreise mehr als 50 Neuinfektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus pro 100.000 Einwohner vorgelegen haben. Diese Vorschrift hat das OVG im Weg der einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Verletzung der Berufsfreiheit geltend gemacht

Die Antragstellerinnen, ein Hotelbetrieb im Landkreis Dahme-Spree und eine Vermieterin von Ferienwohnungen im Landkreis Ostprignitz-Ruppin, hatten unter anderem geltend gemacht, dass die genannte Regelung für sie zu erheblichen Einnahmeverlusten führe und ihre verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit verletze. Das OVG ist dieser Argumentation im Ergebnis gefolgt.

Auch allgemeine Handlungsfreiheit Übernachtungswilliger verletzt

Das Beherbergungsverbot sei voraussichtlich unverhältnismäßig, entschieden die Richter. Das Maß, in dem es voraussichtlich zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beitrage, stehe in keinem angemessenen Verhältnis zum Gewicht der daraus folgenden Einschränkungen der Berufsfreiheit der Antragstellerinnen, aber auch der verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit der Personen aus Risikogebieten, denen ein Übernachtungsaufenthalt oder Urlaub in Brandenburg verwehrt werde.

Infektionsgefahr bei anderen nicht verbotenen Handlungen teilweise höher

Das Infektionsgeschehen könne innerhalb der Beherbergungsbetriebe etwa durch ein Hygienekonzept deutlich verringert werden, merkt das OVG an. Zudem würden Gäste in Hotelzimmern oder Ferienwohnungen im Allgemeinen allein oder gemeinsam mit Personen ihres eigenen Haushalts übernachten. Der Besuch eines Hotelrestaurants unterscheide sich nicht ersichtlich vom Besuch gastronomischer Einrichtungen außerhalb des Beherbergungsbetriebs, der nicht untersagt sei. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass die Verordnung auch Tagesbesuche aus Risikogebieten nicht ausschließe. So könnten Familien mit schulpflichtigen Kindern aus der Millionenstadt Berlin den ausgefallenen Urlaub in Brandenburg durch entsprechende Tagesausflüge kompensieren, dabei unterschiedliche Ziele ansteuern und das Infektionsrisiko in der Fläche noch breiter streuen. Zudem gebe es einen erheblichen Anteil von Pendlern zwischen Berlin und Brandenburg. Hinter die damit verbundene Gefahr des Einschleppens von Infektionen nach Brandenburg trete die Infektionsgefahr, die mit der angegriffenen Regelung verhindert werden soll, zurück.

Befreiungsmöglichkeit bei Vorlage negativen Tests beseitigt Unverhältnismäßigkeit nicht

Die Unverhältnismäßigkeit des Beherbergungsverbots entfalle auch nicht dadurch, dass sich potentielle Gäste durch Vorlage eines negativen Coronatests von dem Verbot befreien lassen könnten. Zum einen seien solche Tests insbesondere für Familien mit mehreren Kindern mit erheblichen, möglicherweise abschreckenden Kosten verbunden. Zum anderen sei es angesichts der derzeitigen Auslastung der Testkapazitäten zweifelhaft, ob ein entsprechendes Testergebnis fristgerecht zu erhalten sei. Im Übrigen habe auch das Robert-Koch-Institut bereits darauf hingewiesen, dass ein negativer Virus-Nachweis nur eine Momentaufnahme darstelle, die nicht zu einem falschen Sicherheitsgefühl führen dürfe, und dass der zusätzliche Testbedarf durch Urlauber die Belastungssituation der Labore weiter verschärft habe.

Hamburger Beherbergungsverbot bestätigt

Für Hamburg hat das dortige OVG indes am 16.10.2020 entschieden, dass es beim Beherbergungsverbot bleibt. Damit war der Eilantrag eines Ehepaars aus Köln erfolglos, das am selben Tag hatte anreisen wollen. Der Beschluss ist nicht anfechtbar. Der Schutz des Lebens und der Gesundheit der Menschen in Hamburg seien bedeutsamer als das private Interesse der Antragsteller an einem Erholungsurlaub in Hamburg, begründete das Gericht die Entscheidung. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Situation in einem Stadtstaat wie Hamburg - mit einer Vielzahl von Menschen auf engem Raum - anders zu bewerten sein könnte als dies in Flächenstaaten angezeigt sei, hatte die Vorinstanz zu bedenken gegeben, die den Eilantrag ebenso abgelehnt hatte.

In Hamburg Einreise mit ärztlichem Zeugnis möglich

In der Hansestadt müssen Touristen laut einer Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus schriftlich bestätigen, dass sie sich in den vergangenen 14 Tagen nicht in einem Landkreis aufgehalten haben, in dem der Warnwert von 50 pro 100.000 Einwohner überschritten wurde. Ansonsten müssen die Urlauber ein ärztliches Zeugnis vorlegen, dass es keine Anzeichen für eine Corona-Erkrankung gibt.

Mecklenburg-Vorpommern schwächt Beherbergungsverbot ab

Mecklenburg-Vorpommern hat derweil seinen harten Kurs beim Beherbergungsverbot für Gäste aus Corona-Risikogebieten aufgegeben. Nach wochenlangem Streit und wenige Tage vor einem dazu erwarteten Gerichtsurteil einigten sich Landesregierung und Tourismusbranche am 17.10.2020 darauf, dass für Urlaub im Nordosten von Mittwoch, den 21.10.2020 an ein aktueller negativer Corona-Test ausreicht. Die bislang zusätzlich geforderte Quarantäne von mindestens fünf Tagen und ein folgender zweiter Test entfallen. Diese Regelung galt bislang nur in Mecklenburg-Vorpommern, war die bundesweit schärfste und hatte für massive Kritik gesorgt.

Tagestouristen bleiben verboten

Tagestouristen aus Risikogebieten dürfen Mecklenburg-Vorpommern jedoch weiterhin nicht besuchen. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte, Aufenthalte ohne Übernachtung "sind weiterhin nicht möglich". Und für Reisen aus Risikogebieten des Auslands bleibe es dabei, "dass es einen ersten Test geben muss, fünf Tage Quarantäne und dann einen zweiten Test zum Frei-Testen".

Test darf nicht älter als 48 Stunden sein

Die nun vereinbarte Regelung mit einem negativen Test, der nicht älter als 48 Stunden sein darf, gilt als Kompromiss. Gerichte in Schleswig-Holstein und Hamburg hatten dieses Verfahren bestätigt, sodass die Landesregierung auf eine ähnliche Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Greifswald hoffen kann. Das OVG hatte angekündigt, Anfang der Woche über drei vorliegende Eilanträge gegen die Quarantäneregeln in Mecklenburg-Vorpommern zu entscheiden. Ob die Anträge möglicherweise zurückgezogen werden, war zunächst unklar.

Auch Hessen verzichtet auf Beherbergungsverbot

Hessen schafft das Beherbergungsverbot für Reisende aus innerdeutschen Corona-Hotspots dagegen vollständig ab. Es habe sich nicht als zielführend erwiesen, sagte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Montag in Wiesbaden zur Begründung. In Hessen galt seit Sommer ein Beherbergungsverbot.

Lage in anderen Bundesländern

Andere Bundesländer verzichten inzwischen auf Gesundheitsnachweise. Am 15.10.2020 hatten Gerichte in Baden-Württemberg und Niedersachsen die dortigen Verbote gekippt. Sachsen und das Saarland strichen die Regel freiwillig. In Bayern gibt es das Beherbergungsverbot seit dem 17.10.2020 an nicht mehr. Das Oberverwaltungsgericht in Schleswig-Holstein wies einen Eilantrag gegen das Beherbergungsverbot ab.

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.10.2020 - 11 S 87/20

Redaktion beck-aktuell, 19. Oktober 2020 (ergänzt durch Material der dpa).