Haftbeschwerde wegen nicht ausreichender Termindichte erfolgreich

Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat der Haftbeschwerde eines Mannes stattgegeben, der sich seit März 2020 in Untersuchungshaft befindet und im August 2022 zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. In der knapp zwei Jahre dauernden Hauptverhandlung sei lediglich an 57 Tagen und zum Teil weniger als zwei Stunden pro Tag verhandelt worden. Dies stelle einen nicht hinnehmbaren Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz dar.

Urteil knapp zwei Jahre nach Eröffnung der Hauptverhandlung

Die Jugendkammer des LG Frankenthal hat im September 2020 wegen der Tatvorwürfe, die zum Erlass des Haftbefehls geführt haben, die Hauptverhandlung gegen den damals 17-Jährigen begonnen und ihn im August 2022 wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung mit Todesfolge sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von 10 Jahren verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Angeklagte reichte Haftbeschwerde zum OLG ein - mit Erfolg. Das OLG hob den Haftbefehl auf und ordnete die Freilassung des Angeklagten an.

OLG hebt Haftbefehl mit Blick auf Beschleunigungsgrundsatz auf

Zur Begründung führte das Gericht unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, dass sich die Fortdauer der Untersuchungshaft infolge vermeidbarer, dem Angeklagten nicht zuzurechnender Verfahrensverzögerungen, die mit seinem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Anspruch auf eine beschleunigte Aburteilung nicht mehr vereinbar seien, als unverhältnismäßig erwiesen habe. Der Beschleunigungsgrundsatz fordere bei absehbar umfangreichen Verfahren, in denen sich der Angeklagte in Untersuchungshaft befinde, stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als nur einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche. Die Verhandlungstage seien möglichst auszuschöpfen.

Verzögerung von insgesamt sechs Monaten unter keinem Gesichtspunkt hinnehmbar

Vorliegend sei in der mehr als 22 Monate dauernden Hauptverhandlung lediglich an 57 Tagen verhandelt worden. An 20 dieser Verhandlungstage sei auch noch weniger als zwei Stunden verhandelt worden. Die dadurch eingetretene Verzögerung betrage insgesamt knapp sechs Monate (26 Wochen). Dieser Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz sei auch vor dem Hintergrund des hohen Gewichts des staatlichen Strafanspruchs im vorliegenden Fall und unter Berücksichtigung der Überlegung, dass nach einer Verurteilung Verfahrensverzögerungen geringeres Gewicht beizumessen sei, nicht hinnehmbar.

Redaktion beck-aktuell, Miriam Montag, 7. Oktober 2022.