Autofahrer haftet bei Kollision mit am Fahrbahnrand stehenden Kind

Erfasst ein Pkw ein zu nah an der Bordsteinkante wartendes elfjähriges Kind, führt dies zu einer ganz überwiegenden Haftung des Autofahrers. Dies hat das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken klargestellt. Trete ein Haftpflichtversicherer bei eindeutiger Haftungslage über Jahre hinweg nicht in die Schadensregulierung ein, könne dies den Schmerzensgeldanspruch erhöhen, entschied das Gericht weiter.

LG: Autofahrerin haftet zu 80%

Der zum Unfallzeitpunkt elfjährige Kläger befand sich auf dem Weg zur Schule und wollte eine Kreuzung an einer Fußgängerampel überqueren. Er stellte sich an den äußersten Rand der Bordsteinkante, um dort zu warten, bis die Lichtzeichenanlage "grün" zeigt. Die Beklagte fuhr mit ihrem Pkw in einem Abstand von deutlich unter einem Meter zum rechten Fahrbahnrand an dem Kind vorbei und erfasste es. Weitere Einzelheiten ließen sich hierzu nicht aufklären. Die Verkehrssituation hätte es aber zugelassen, mit weit größerem Abstand an dem Kind vorbeizufahren. Der Kläger wurde erheblich verletzt. Er verlangt von der Fahrzeughalterin und deren Haftpflichtversicherung Schadenersatz und Schmerzensgeld. Das Landgericht Kaiserslautern hat der Klage mit einer Haftungsquote von 80% zulasten der Beklagten stattgegeben.

OLG: Fahrer muss Abstand von Bordstein halten

Die dagegen gerichtete Berufung blieb erfolglos. Ein Kraftfahrzeugführer sei grundsätzlich nicht berechtigt, innerorts die Fahrbahn bis an den rechten Bordstein heran zu befahren, wenn hieraus Risiken für Passanten entstehen. Erst Recht müsse das gegenüber am Fahrbahnrand an einer Fußgängerampel stehenden Kindern gelten.

Mitverschulden des Kindes mit 20% angemessen bewertet

Zwar sei dem Kläger vorzuwerfen, dass er sich an den äußersten Rand der Bordsteinkante gestellt hat, sodass er von dem vorbeifahrenden Fahrzeug erfasst werden konnte. Auch einem elfjährigen Schüler müsse bewusst sein, dass diese Position an einer stark befahrenden Straße gefährlich ist und erhebliche Schäden auslösen kann. Dieses Mitverschulden rechtfertige aber keine Mithaftung des Klägers in Höhe von mehr als 20%. In die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes habe das OLG auch das Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung eingestellt. Die Versicherung hatte an den Kläger über beinahe sieben Jahre hinweg keinerlei immateriellen Ausgleich geleistet.

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.04.2021 - 1 U 141/19

Redaktion beck-aktuell, 9. Juni 2021.