Eine Frau in Polen ließ sich anwerben, bei zukünftigen Enkeltrick-Straftaten in Deutschland als Abholerin tätig zu werden. Älteren Personen wurde am Telefon vorgespiegelt, eine Angehörige befände sich in einer akuten Notlage, die nur durch Herausgabe eines hohen Geldbetrags behoben werden könne. Die Aufgabe der hier angeklagten Frau bestand darin, die Beute von den Betrugsopfern abzuholen und weiterzugeben. Im April 2024 ging es los: Die Frau buchte sich ein Zimmer in einem Mannheimer Hotel und wartete auf den Anruf, der sie zu einer Geschädigten lotsen würde. In der (von der Bande hervorgerufenen) Vorstellung, ihre Tochter habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht und die Haft könne man nur mit 400.000 Euro Kaution verhindern, sagte eine Angerufene die Geldübergabe zu. Bis aber die Frau aus Polen zur Abholung des Geldes erschien, war die Betroffene doch misstrauisch geworden und hatte die Polizei alarmiert, die die Abholerin festnahm.
Das AG Neustadt an der Weinstraße verurteilte die Kurierin wegen versuchten bandenmäßigen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Ihre Revision zum OLG Zweibrücken war teilweise erfolgreich.
Abgrenzung der Täterschaft von der Teilnahme zwingend notwendig
Das OLG (Beschluss vom 04.12.2024 – 1 ORs 3 SRs 72/24) kritisierte vor allem die begründungslose Einordnung der Abholung als mittäterschaftliche Handlung. Die reine Kuriertätigkeit bedürfe zwingend einer näheren Bestimmung der Handlungsform – auch wenn die Frau als Bandenmitglied gehandelt habe. Auch Bandenmitglieder könnten – je nach Bezug zur konkreten Tat – als Täter oder Teilnehmer gehandelt haben.
Für die neue Hauptverhandlung gaben die Zweibrücker Richterinnen und Richter dem AG ein Prüfungsprogramm an die Hand: Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, Umfang der Tatbeteiligung und Tatherrschaft. Da hier nicht einmal klar gewesen sei, wie die Abholerin an der Beute beteiligt werden sollte, sei ihr eigenes Interesse fraglich. Allerdings habe sie als Einzige die Geschädigten treffen und somit in diesem Moment die volle Tatherrschaft ausüben sollen. Ihr Tatbeitrag sei damit unumgänglich für den Erfolg gewesen. Im Gegenzug sei sie überhaupt nicht in die Organisation der Taten eingebunden gewesen, sondern habe lediglich auf Zuruf gehandelt. Zu diesem Zeitpunkt wäre die Einwirkung auf die Geschädigten auch bereits beendet gewesen – die Frau sollte nur noch den Geldbetrag entgegennehmen.
Das OLG wies darauf hin, dass es die hier verhängte Freiheitsstrafe zwar für grundsätzlich schuldangemessen hält. Zu überlegen sei aber, ob man trotz der Bandenmitgliedschaft nicht davon absehen könne, den erhöhten Strafrahmen für die Qualifikation in § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB (Handlung als Bandenmitglied) anzulegen. Insbesondere die Nichtvollendung der Tat biete sich als Grund dafür an. Der 1. Strafsenat warnte mit Blick auf entsprechende Ausführungen im Urteil des AG auch davor, die Abholerin aus generalpräventiven Gründen schwerer zu bestrafen. Die Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen in der Strafzumessung setze voraus, dass es für den Gemeinschaftsschutz notwendig (geworden) ist, allgemein von der Begehung vergleichbarer oder ähnlicher Delikte abzuschrecken. Eine solche Feststellung müsse das Gericht "in tragfähiger Weise" belegen.