Sinti und Roma diffamiert: Geraer Richter entgeht Prozess wegen Volksverhetzung

Es bleibt dabei: Gegen den Vizepräsidenten des VG Gera wird es keinen Strafprozess wegen des Verdachts der Volksverhetzung geben. Seine abfällige Behauptung über Sinti und Roma erfülle nur den Tatbestand der Beleidigung, bestätigt das OLG Thüringen die Auslegung der Vorinstanz.

Im April 2025 hatte die Staatsanwaltschaft Gera den dortigen Verwaltungsrichter Bengt Fuchs angeklagt. Der Vorwurf: Fuchs habe in einem Facebook-Eintrag pauschal Angehörige der Sinti und Roma als "Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche" bezeichnet. Die Staatsanwaltschaft sah den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) erfüllt. Schließlich stachele die Aussage zum Hass auf und greife die Menschenwürde an.

Das LG Gera sah das anders und lehnte es ab, das Hauptverfahren zu eröffnen. Die Staatsanwaltschaft reagierte mit einer sofortigen Beschwerde. Erfolg hatte sie damit vor dem OLG Jena nicht (Beschluss vom 27.10.2025 – 3 Ws 308/25).

Das LG hat die Äußerung des VG-Richters aus Sicht des OLG zutreffend ausgelegt. Fuchs habe zum Ausdruck gebracht, dass Angehörige der Sinti und Roma als nicht sesshafte Personen durch Europa reisen und Straftaten im Bereich der Vermögensdelikte begehen würden.

Grob geschmacklose Entgleisung - aber keine Volksverhetzung

Das sei zwar eine ehrverletzende Äußerung, die bei Vorliegen eines Strafantrags als Beleidigung nach § 185 StGB rechtlich verfolgt werden könnte – Angehörige der Sinti und Roma könnten auf diesem Weg strafrechtlichen Schutz erlangen. Der Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) sei aber nicht erfüllt.

Die "grob geschmacklose und diffamierende Entgleisung" des Geraer Verwaltungsrichters wertete das OLG als einen missglückten Versuch, Sinti und Roma in ironisch-satirischer Form pauschal lächerlich zu machen und möglichst viele "Likes" zu erzielen. Gleichwohl sei die Äußerung weder von Hass erfüllt noch reize sie in feindseliger Weise zum Hass an (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Auch einen Angriff auf die Menschenwürde im Sinn des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB sah das OLG nicht. Diese Norm knüpfe an Art. 1 Abs. 1 GG an und schütze den unverzichtbaren Kern der Menschenwürde. Bloße Beleidigungen und Beschimpfungen reichten dafür nicht aus. Erforderlich sei, dass den angegriffenen Personen das Lebensrecht in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen werde und sie als minderwertige Wesen behandelt würden. Diese Schwelle hielt das OLG hier für nicht erreicht. Es begründet diese Würdigung ausführlich mit einer vergleichenden und rechtshistorischen Betrachtung, in deren Kontext die Äußerung gestellt wird. Fuchs′ Eintrag lasse insbesondere keinen Bezug zu nationalsozialistischem menschenverachtenden Gedankengut unter Aberkennung der Menschenwürde erkennen. Der Post bewege sich zwar auf einer diskriminierenden und diffamierenden Ebene, die ehrverletzend sei. Die Würde als Mensch spreche die Äußerung den Angehörigen der Sinti und Roma indes nicht ab.

Gegen den Beschluss kann kein weiteres Rechtsmittel eingelegt werden.

Redaktion beck-aktuell, bw, 30. Oktober 2025.

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