Verweis auf Referenzzinssatz und Preisaushang
Die beklagte Kreissparkasse Tübingen (KSK) hatte von 2002 bis Anfang 2015 Altersvorsorgeverträge vertrieben, die mit variablen Grundzinsen und laufzeitabhängigen Bonuszinsen angeboten wurden. Für die Berechnung der Grundzinsen wurde in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel verwendet, die über den Verweis auf einen Referenzzinssatz auf der Basis von der Deutschen Bundesbank veröffentlichter Zinssätze zu sogenannten Negativzinsen führte, die im dazugehörigen Preisaushang des Produkts "VorsorgePlus“ bekannt gegeben wurden.
LG verurteilt beide Kontrahenten zur Unterlassung
Diese Klausel erachtete die klagende Verbraucherzentrale als intransparent. Die Klausel führe zu einer unangemessenen Benachteiligung der Verbraucher. Die Verbraucherzentrale begehrte deswegen die Unterlassung der Verwendung der Klausel. Demgegenüber verlangte die beklagte KSK mit der Widerklage die Unterlassung der mit der Pressemitteilung aufgestellten Behauptung, die Beklagte fordere von ihren Kunden des Produkts "VorsorgePlus2 und damit für Altersvorsorgeverträge der staatlich geförderten Riester-Rente Negativzinsen beziehungsweise ein Entgelt, statt ihrerseits Zinsen zu zahlen. Außerdem solle die Verbraucherzentrale Auskunft darüber erteilen, gegenüber wem, insbesondere welchen Presseorganen, diese Behauptungen aufgestellt worden seien. Das Landgericht Tübingen hatte die jeweiligen Unterlassungsklagen abgewiesen (BKR 2018, 386). Das OLG verurteilte dagegen beide Parteien zur Unterlassung.
Zinsgleitklausel wegen Verstoßes gegen Transparenzgebot unwirksam
Die von der KSK verwendete sogenannte Zinsgleitklausel verstoße gegen das Transparenzgebot und sei deshalb unwirksam, so das OLG. Insbesondere erfülle die Klausel nicht die Vorgaben, wonach es dem Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglich sein muss, möglichst klar und einfach seine Rechte festzustellen. Mit einer Internetrecherche sei zwar eine Ermittlung der Dreimonatszinssätze möglich, so das OLG, nicht jedoch ein klarer und einfacher Zugriff auf die Zehnjahreszinsen. Die Klausel sei auch deshalb intransparent, weil nach weiteren Formulierungen von der Gutschreibung von Zinsen und einer Hinzurechnung die Rede sei.
Verbraucher werden unangemessen benachteiligt
Die Klausel benachteilige den Verbraucher auch unangemessen, da die Möglichkeit eines negativen Zinses mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Darlehensregelungen nicht vereinbar sei, heißt es in der Entscheidung weiter. Gerade bei einem Altersvorsorgevertrag beziehungsweise einem sogenannten Riestervertrag gehe es um die Vermögensbildung und Vorsorge für das Alter, was sich mit der Möglichkeit negativer Grundzinsen per se nicht vereinbaren lasse. Die Angaben im Preisaushang würden von der Nichtigkeit der Zinsgleitklausel erfasst. Die Beklagte dürfe daher die entsprechenden Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Altersvorsorgeverträgen nicht mehr verwenden.
Auch Verbraucherzentrale verurteilt
Die Verbraucherzentrale dürfe allerdings in ihren Pressemitteilungen und auf der Internetseite nicht die in der Kernaussage unwahre, weil bewusst unvollständige Tatsachenbehauptung aufstellen, dass die beklagte Bank von den Kunden ihrer Altersvorsorgeprodukte eine negative Verzinsung, also faktisch ein Entgelt einfordere, statt selbst Zinsen zu zahlen. Zu einem Einfordern eines Entgelts beim Kunden sei es wegen der höheren Bonuszinsen nie gekommen, so das OLG. Eine solche Presseberichterstattung könne zu einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Wertschätzung der Kreissparkasse führen. Daher wurde die Verbraucherzentrale vom Berufungsgericht auch zur Auskunft über die Verbreitungswege der Behauptung und zum Ersatz eines möglichen Schadens verurteilt.