Stuttgarter Polizeiaffäre: Verteidigerin muss ehrverletzende Äußerungen unterlassen
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Die Strafverteidigerin eines wegen sexueller Nötigung angeklagten Polizisten aus Baden-Württemberg darf bestimmte Äußerungen über die damalige Nebenklägerin nicht mehr tätigen. Bei der Presseerklärung der Juristin handelt es sich laut OLG Stuttgart um eine ehrverletzende Litigation-PR.

Nachdem der Polizeiinspekteur vom LG Stuttgart freigesprochen worden war, unterstellte dessen Strafverteidigerin der damaligen Anzeigenerstatterin und Nebenklägern - ebenfalls einer Polizistin - in einer Presseerklärung, wiederholt "die Unwahrheit gesagt" zu haben. Die Juristin warf der Frau zudem vor, "bewusst ältere, höher gestellte Männer zu suchen, um die Kontakte zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen." Ihr beruflicher und persönlicher Lebensweg sei hiervon geprägt. Ferner behauptete die Verteidigerin, die Polizistin habe ein sexuelles Verhältnis zu einem Vorgesetzten im Innenministerium gehabt und diesem nach besagtem Abend mit dem Polizeiinspektor in einer Sprachnachricht offenbart, "dass sie genau gewusst habe, was sie tue, man könne nichts auf den Alkohol schieben". Die Frau wollte diese Aussagen nicht so stehen lassen und zog vor Gericht - mit Erfolg.

Nach dem LG Stuttgart bestätigte nun auch das OLG Stuttgart, dass es sich bei den Aussagen um ehrverletzende Äußerungen handelte und verurteilte die Rechtsanwältin zur Unterlassung (Urteil vom 25.01.2024 - 4 U 129/23). Die Rechtsanwältin habe sich nicht in ihrer Funktion als Mandantenvertreterin geäußert, sondern eine ausdrücklich persönliche Erklärung im eigenen Namen abgegeben. Die Presseerklärung enthalte keine privilegierten Äußerungen einer Strafverteidigung im Rahmen des Strafverfahrens, sondern sei eine sogenannte Litigation-PR, mit der die Kommunikation der Verteidigung nach außen strategisch gesteuert werden sollte. Bei einer solchen Pressearbeit als Öffentlichkeitsarbeit neben einem Strafverfahren seien die gleichen Grundsätze zu beachten, die für öffentliche Äußerungen gelten.

Die Äußerungen verletzten die Polizistin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Rechtsanwältin habe nicht bewiesen, dass ihre Aussage, die Nebenklägerin habe "nachweislich mehrfach (...) gegenüber der Polizei die Unwahrheit gesagt", der Wahrheit entspreche. Somit handele es sich gerade für eine Polizistin als Berufszeugin um eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung. Die Verteidigerin könne sich auch nicht auf den Freispruch berufen, da das Urteil nicht rechtskräftig sei.

Die Behauptung eines angeblichen intimen Verhältnis der Polizistin zu einem Vorgesetzten im Innenministerium ist laut OLG unstreitig falsch und betreffe zudem die Privatsphäre. Auf ein öffentliches Informationsinteresse und ihr Ziel, einer öffentlichen Vorverurteilung ihres Mandanten vorzubeugen, könne sich die Anwältin nicht berufen. Es sei nicht Aufgabe einer Strafverteidigerin, die Öffentlichkeit über ein Strafverfahren zu informieren.

Auch den Inhalt der Sprachnachricht habe die Juristin nicht veröffentlichen dürfen, da deren Inhalte dem Bereich der Privat- beziehungsweise Geheimsphäre zuzuordnen seien. Die Äußerungen zum beruflichen und persönlichen Lebensweg der Polizistin seien als Meinungsäußerung mit einem nicht bewiesenen Tatsachenkern ebenfalls zu unterlassen.

OLG Stuttgart, Urteil vom 25.01.2024 - 4 U 129/23

Redaktion beck-aktuell, ak, 25. Januar 2024.