Sawsan Chebli muss Schmähkritik auf Facebook nicht hinnehmen

Im Streit um eine Beschimpfung auf Facebook hat die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli einen Erfolg erzielt. Die Bezeichnung als "dämliches Stück Hirn-Vakuum" ist eine Schmähkritik, die nicht hingenommen werden muss, entschied das OLG Stuttgart am Mittwoch. Die Vorinstanz war noch anderer Meinung.

Chebli hatte auf einen Beitrag des Kabarettisten Dieter Nuhr in dessen Sendung "Nuhr im Ersten" reagiert und Nuhr unter anderem mit den Worten "ignorant, dumm und uninformiert" kritisiert. Einen Facebook-Post dazu kommentierte ein User mit den Worten: "Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie C.. Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen." Die Politikerin klagte auf Unterlassung und Schmerzensgeld. Das Landgericht Heilbronn wies die Klage in erster Instanz vollumfänglich ab. Der Beitrag sei jedenfalls noch von der Meinungsfreiheit gedeckt, hieß es darin. Die Entscheidung wurde viel kritisiert.

Das Oberlandesgericht Stuttgart änderte die Entscheidung des LG heute ab und gab dem Unterlassungsantrag statt (Urteil vom 29.11.2023 – 4 U 58/23). Bei der Äußerung handele es sich um eine Schmähkritik, für die der Facebook-User hafte. Der Einwand, er sei nicht der Urheber des Beitrags, jemand müsse sich seines Notebooks bemächtigt haben, überzeugte die Richter nicht. Zumindest habe er seinen Rechner und sein Facebook-Nutzerkonto nicht ausreichend vor fremden Zugriffen gesichert und keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen, die eine nach höchstrichterlichen Grundsätzen entwickelte Vermutungswirkung entfallen ließen.

Zudem sei der Senat nach den Ausführungen des Mannes in der Berufungsverhandlung davon überzeugt, dass er den streitgegenständlichen Beitrag selbst verfasst habe. Denn er habe sich mehrfach von den Äußerungen distanziert, gleichzeitig den Beitrag aber damit verteidigt, dass es ihm erlaubt sein müsse, auf Chebli als Politikerin zu reagieren, um diese angesichts ihres eigenen Verhaltens "fertig zu machen".

Diffamierung der Person im Vordergrund

Bei der Annahme einer Schmähung sei zwar grundsätzlich Zurückhaltung geboten. Hier sei aber von einer solchen auszugehen. Bei dem Beitrag des Users stehe nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung Cheblis als Person im Vordergrund. Seine Äußerung habe keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung. Es gehe bei ihr nur darum, Chebli als Person grundlos verächtlich zu machen.

Diese werde durch die Verwendung der Begriffe "dämlich" und "Hirn-Vakuum" als dumme und hirnlose Politikerin charakterisiert, die aus der Politik verschwinden soll ("abtauchen"). Die Aussage erhalte durch die zusätzliche Verwendung des Begriffs "Stück" (konkret: "dämliches Stück Hirn-Vakuum") eine abwertende und diffamierende Komponente. Werde ein Mensch als Stück bezeichnet, werde ihm jede persönliche Würde abgesprochen.

Die Aussage knüpfe zwar äußerlich an eine – öffentlich geführte – Auseinandersetzung an, sei aber völlig von der vorherigen Auseinandersetzung losgelöst, indem Chebli nur persönlich beschimpft und angegangen werde. Zwar habe sie zunächst selbst stark abwertende und ebenfalls persönlichkeitsrechtsverletzende Begriffe verwandt ("ignorant, dumm und uninformiert"). Dennoch sei der Kommentar des Facebook-Nutzers aber keine adäquate Reaktion auf ihr Vorverhalten mehr, so das OLG.

Geldentschädigung nicht erforderlich – Unterlassungstitel reicht

In der Aussage "Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen" sieht das OLG ebenfalls ein Werturteil, das nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Immigranten würden dadurch herabgesetzt und Chebli angesonnen, zu verschwinden oder abzuhauen und den Mund zu halten. Auch insoweit fehle jeglicher Bezug zur Diskussion um das Verhalten Nuhrs. Auch diese Aussage diene allein dazu, die Politikerin verächtlich zu machen.

Den ebenfalls geltend gemachten Geldentschädigungsanspruch hat das OLG verneint. Trotz der erheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung fehel es an einem unabwendbaren Bedürfnis für die Zubilligung einer Geldentschädigung, das die höchstrichterliche Rechtsprechung fordere. Die Politikerin habe selbst starke Worte benutzt und den Diskurs damit erst veranlasst. Auch sei der streitgegenständliche Beitrag zeitnah gelöscht worden. Daher sei der zugesprochene Unterlassungstitel ausreichend.

OLG Stuttgart, Urteil vom 29.11.2023 - 4 U 58/23

Redaktion beck-aktuell, ew, 29. November 2023.