Privatschule durfte nach Drohungen von Eltern wegen Corona-Maßnahmen kündigen

Der Schulverein einer Freien Waldorfschule in Göppingen durfte die Verträge mit Schülerinnen kündigen, nachdem deren Eltern per E-Mail Drohungen, Unterstellungen und Vorwürfe im Hinblick auf die schulische Umsetzung der staatlichen Corona-Maßnahmen gegenüber den Lehrkräften und der Geschäftsleitung der Schule ausgesprochen hatten. Das hat das Oberlandesgericht Stuttgart per Eilbeschluss bestätigt. Es fehle sowohl am Anspruch als auch am Verfügungsgrund.

Schulverein kündigte Verträge mit Drei-Monats-Frist

Die Eltern warfen dem Schulverein vor, "alle menschenverachtenden Maßnahmen und Verordnungen durchzusetzen", "Verbrechen gegen die Menschheit zu begehen" und hegten den Verdacht, dass es einzelnen Lehrkräften Freude bereite, "Kinder zu erniedrigen und zu belehren". Daraufhin kündigte der Verein die Schulverträge für die in ihre Klassen gut integrierten Schülerinnen mit Kündigungen vom März und April 2022 zum 31.07.2022.  Er stützte sich dabei auf eine Regelung der Schulvereinbarung mit den Eltern, wonach die Kündigung bei einem unzureichenden Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien mit einer Frist von drei Monaten zum Schuljahresende ausgesprochen werden kann.

OLG: Schon kein Eilrechtsfall und Klausel wirksam

Ende Juli reichten die Eltern einen einstweiligen Verfügungsantrag ein, der darauf abzielte, ihren Kindern den Schulbesuch unter Rücknahme der schulvertraglichen Kündigung mit Beginn des Schuljahres 2022/2023 wieder zu gestatten - ohne Erfolg. Nach dem LG Ulm hat nun auch das OLG die Kündigungen bestätigt. Es handele sich schon nicht um einen Eilfall, da die Eltern bis zur Beauftragung eines Rechtsanwalts rund drei Monate nach den Kündigungen zugewartet hätten. Im Übrigen hätten die ordentlichen Kündigung das Vertragsverhältnis wirksam beendet. Insbesondere sei die Kündigungsklausel des Schulvertrags nach BGH-Rechtsprechung wirksam und stelle keine unangemessene Benachteiligung im Sinn des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.

Kündigung auch bei Fehlverhalten der Eltern möglich

Demgegenüber könnten sich die Eltern gerade nicht auf § 90 Abs. 6 BadWürttSchulG berufen, der einen Schulausschluss nur bei einem Fehlverhalten der Schüler und nicht der Eltern vorsehe. Diese Regelung gelte nicht für Schulen in freier Trägerschaft, da diese sich im Rahmen des grundgesetzlichen Rechts zur freien Schülerwahl nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG von Schülern auch wieder trennen können müssten. Das Interesse der Töchter an der Vertragsfortsetzung zum Erreichen ihres Ausbildungszieles und das Interesse der Privatschule an der effektiven Verwirklichung ihrer Bildungsziele seien gegeneinander abzuwiegen. Beruhe dieses Konzept auf einer intensiven individuellen Betreuung und Förderung der Schüler, so liege es auf der Hand, dass sowohl auf Seiten der Schüler als auch auf Seiten der Eltern die Bereitschaft zur Einordnung und Mitarbeit unerlässliche Voraussetzung sei. Fehle oder entfalle diese Voraussetzung, bestehe ein billigenswertes Interesse der Schule, sich vom Vertrag lösen zu können.

Verhalten der Eltern nicht von Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt

Somit seien die Kündigungen auch keinesfalls als rechtsmissbräuchlich einzustufen. Die Eltern könnten sich bei den von ihnen erhobenen Vorwürfen, die das Vertrauensverhältnis der Parteien nachhaltig beschädigt haben, auch nicht auf das grundgesetzliche Recht der Meinungsäußerung berufen. Entscheidend sei dabei, dass die Kündigung nicht erfolgt sei, um einen kritischen Diskurs zu unterbinden, sondern aufgrund des in Art und Maß völlig haltlosen und unangemessenen Verhaltens der Beschwerdeführer insbesondere gegenüber den Lehrkräften, das verschwörungstheoretische Anleihen nehme und sich auf konkrete Drohungen und Unterstellungen erstrecke. Eine Entschuldigung sei gegenüber dem Schulverein bis heute nicht ausgesprochen worden.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.09.2022 - 4 W 75/22

Miriam Montag, 9. September 2022.