Daimler muss Pkw-Kauf nicht wegen "Thermofenster" rückabwickeln

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat am 11.12.2020 die Berufung eines klagenden Mercedes-Benz-Käufers zurückgewiesen. Eine unzulässige Prüfstanderkennungssoftware wie in anderen Dieselfällen sei in seinem im Fahrzeug nicht verbaut. Ob die Funktion des "Thermofensters" dieser Definition entspreche, könne offen bleiben, da es jedenfalls an einer arglistigen Täuschung fehle. Das OLG hat aber die Revision zugelassen.

Sachverhalt

Der Kläger hatte im Jahr 2016 von der beklagten Daimler AG einen neuen Mercedes-Benz C 220 D der Emissionsklasse EURO 6b erworben. Zur Reduktion von Stickoxiden wird in dem Fahrzeug ein SCR-Katalysator samt dem Harnstoff-Gemisch AdBlue zum Zweck der Abgasnachbehandlung eingesetzt. Das Abgassystem arbeitet bei einer Umgebungstemperatur von 7° C bis 35 °C konstant, außerhalb dieses Temperaturbereiches jedoch reduziert (sogenanntes Thermofenster). Die EG-Typgenehmigung, ohne die der Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen nicht erlaubt wäre, liegt für das Fahrzeug vor. Ein amtlicher Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes ist für dieses Fahrzeugmodell nicht angeordnet worden. 

Kläger erklärte Rücktritt wegen arglistiger Täuschung

Der Kläger hatte im Jahr 2017 den Rücktritt vom Kaufvertrag und dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt. Unter Berufung auf Messergebnisse der Deutschen Umwelthilfe e.V. hat der Kläger behauptet, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei, welche die Prüfungssituation anhand des unnatürlichen Fahrverhaltens erkenne und die Abgasaufbereitung dann optimiere, damit wenig Stickoxide entstünden. Dabei nutze die Beklagte auch das Thermofenster und die Regelung der Kühlmittelsolltemperatur aus, die ebenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellten. Die Beklagte habe die Verwendung dieser Abschalteinrichtungen arglistig verschwiegen. 

Keine unzulässige Prüfstanderkennungssoftware

Der 3. Zivilsenat erkannte keine unzulässige Prüfstanderkennungssoftware in dem Fahrzeug. Auch eine entsprechende Regelung der Kühlmittelsolltemperatur liege nicht vor. Dies habe der Sachverständige bei entsprechenden Vergleichsmessungen auf dem Prüfstand und im Straßenbetrieb zweifelsfrei festgestellt. Bei den zugrunde zu legenden Grenzwerten seien entsprechende Toleranzen zu berücksichtigen gewesen.

Keine arglistige Täuschung in Bezug auf das Thermofenster 

Hinsichtlich des Thermofensters könne dahingestellt bleiben, ob dieses überhaupt eine unzulässige Abschalteinrichtung sei. Jedenfalls liege keine arglistige Täuschung vor. Steuerungseinrichtungen, die vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeiten wie auf dem Prüfstand, könnten nicht ohne weiteres als vorsätzliches rechtswidriges Verhalten angesehen werden. Entsprechende Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den Einsatz des Thermofensters als Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Kauf nahm, lägen nicht vor, zumal die Beklagte die Temperaturabhängigkeit der Wirkung des Abgassystems zumindest ansatzweise dem KBA mitgeteilt habe. Soweit der Kläger seinen Anspruch auf Gewährleistung wegen eines Mangels stütze, fehle es daran, dass er der Beklagten keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe, wovon im vorliegenden Fall keine Ausnahme gerechtfertigt gewesen sei.

OLG Stuttgart, Urteil vom 11.12.2020 - 3 U 101/18

Redaktion beck-aktuell, 11. Dezember 2020.