OLG Stuttgart: Hunden dürfen zu Ausbildungszwecken keine erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden

Einem Hund dürfen im Rahmen seiner Ausbildung grundsätzlich keine erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Dies hat das Oberlandesgericht Stuttgart im Rahmen einer Rechtsbeschwerde eines Tiertrainers und Inhabers einer Hundepension gegen ein Bußgeld-Urteil mit Beschluss vom 28.03.2019 klargestellt. Das Amtsgericht muss nun erneut entscheiden, soweit es um Verstöße gegen das Tierschutzgesetz geht, da es keine Feststellungen zur Erheblichkeit der zugefügten Schmerzen getroffen hatte (Az.: 4 Rb 15 Ss 1089/18).

AG verhängte gegen Tiertrainer Geldbußen von insgesamt 4.000 Euro

Das Amtsgericht hatte gegen den betroffenen Tiertrainer wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Hundeverordnung Geldbußen von insgesamt 4.000 Euro verhängt. Nach seinen Feststellungen hatte der Betroffene in sechs Fällen Hunden zu Erziehungszwecken Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt: So schlug er einen Hund mehrfach mit der Hand auf den Kopfbereich, weil er gebellt hatte. Infolge der Schläge erlitt der Hund Schmerzen und jaulte. Einen anderen Hund, der eine Mitbewohnerin angesprungen hatte, trat er kräftig in die Seite, wodurch der Hund Schmerzen erlitt. Drei Hunde brachte er in Kellerräumen seines Wohnhauses unter, ohne dass eine natürliche Lichtquelle vorhanden war. Die Hunde waren teilweise angeleint oder in Transportboxen gesperrt. Einen anderen Hund fixierte er mit einer einen Meter langen Leine an einem Heizkörper seines Wohnhauses. Diese Unterbringung der Hunde war nur durch dreimal tägliche Ausführungen unterbrochen. Der Betroffene legte gegen das Urteil Rechtsbeschwerde ein.

OLG bestätigt Verstöße gegen Tierschutz-Hundeverordnung

Das OLG hat die die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen, soweit das AG gegen den Betroffenen vier Geldbußen wegen Verstößen gegen die Tierschutz-Hundeverordnung verhängt hatte. Die Tierschutz-Hundeverordnung schreibe unter anderem vor, dass bei Räumen, in denen Hunde gehalten werden, der Einfall natürlichen Tageslichts sichergestellt sein muss. Zudem dürfe ein Hund in Räumen, die ihrer Zweckbestimmung nach nicht dem Aufenthalt von Menschen dienten, nur gehalten werden, wenn eine ausreichende Bodenfläche vorhanden sei, die sechs Quadratmeter nicht unterschreiten dürfe. Beides sei  nach den Feststellungen des AG im Keller des Betroffenen, in dem die Hunde in Boxen untergebracht oder angeleint gewesen seien, nicht der Fall gewesen. Ein Hund dürfe nach der Tierschutz-Hundeverordnung in Anbindehaltung nur gehalten werden, wenn die Anbindung über eine Laufvorrichtung verfügt, die mindestens sechs Meter lang und so bemessen ist, dass sie dem Hund einen seitlichen Bewegungsspielraum von mindestens fünf Metern bietet. Das sei laut AG bei dem Hund, der am Heizkörper angeleint gewesen sei, nicht der Fall gewesen. Das OLG unterstreicht, dass die Tierschutz-Hundeverordnung nach dem Willen des Verordnungsgebers Mindestanforderungen zur Befriedigung wesentlicher Grundbedürfnisse des Hundes - insbesondere nach Bewegung und Gemeinschaft - begründe, von denen die Hundehalter auch zum Zweck der Erziehung nicht abweichen dürften.

AG muss über Verstöße gegen Tierschutzgesetz neu entscheiden - Feststellungen zur Erheblichkeit der Schmerzen nachzuholen

Hingegen hat das OLG das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen, soweit dieses das Schlagen und Treten zweier Hunde ahndete. Das Verhalten des Betroffenen sei nur dann eine Ordnungswidrigkeit, wenn es zu erheblichen Schmerzen des Tieres führt. Das AG hatte sich nicht mit der Frage befasst, ob die Schmerzen, die die Tiere infolge der Behandlung des Betroffenen erlitten haben, erheblich gewesen seien. Sollte dies der Fall sein, könne das Verhalten nicht durch die vom Betroffenen verfolgten erzieherischen Zwecke gerechtfertigt sein. Die Regelung des § 3 Satz 1 Nr. 5 TierSchG solle im Interesse eines ethischen Tierschutzes gewährleisten, dass die Ausbildung von Tieren stets mit maßvollen Mitteln und ohne erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für die Tiere geschieht. Die Durchführung einer solchen Ausbildung sei deshalb kein vernünftiger Grund, der es rechtfertige, einem Tier erhebliche Schmerzen zuzufügen.

Erhebliche, erzieherische Schmerzzufügung hier nicht ausnahmsweise zur Lebenserhaltung des Hundes gerechtfertigt

Der Betroffene habe auch nicht mit seinem Hinweis auf Fallkonstellationen durchdringen können, in denen seiner Meinung nach nur eine mit erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden verbundene Ausbildung einen Hund davor bewahren könne, dass er wegen seiner ansonsten bestehenden Gefährlichkeit auf behördliche Anordnung getötet wird. Das OLG hält es zwar für denkbar, dass die Anwendung solcher Methoden dann erlaubt sei, wenn die Chance auf den Erhalt des Lebens des Hundes im Einzelfall wesentlich höher zu bewerten ist als das Interesse an der Beeinträchtigung seines Wohls durch die mit Schmerzen oder Leiden verbundene Ausbildung. Eine solche Konstellation habe aber nach den Feststellungen des AG gerade nicht vorgelegen.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 28.03.2019 - 15 Ss 1089/18

Redaktion beck-aktuell, 16. April 2019.