OLG Stuttgart: Angabe nicht existenter Person als verantwortlichen Fahrer gegenüber Bußgeldbehörde nicht als falsche Verdächtigung strafbar

Wer einen Dritten veranlasst, im Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit eine nicht existierende Person als verantwortlichen Fahrer anzugeben, macht sich nicht wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 2 StGB strafbar. Dies hat das Oberlandesgericht Stuttgart mit Urteil vom 20.02.2018 entschieden und den Freispruch eines Temposünders bestätigt, der einem Bußgeld und einem Fahrverbot entgangen war, weil die Verkehrsordnungswidrigkeit bereits verjährt war, als die Bußgeldbehörde die Manipulation bemerkte (Az.: 4 Rv 25 Ss 982/17).

Eingeschalteter Dritter füllte Anhörungsbogen aus und gab nicht existente Person an

Der Angeklagte war im Juni 2015 auf der B 27 in Richtung Tübingen geblitzt worden. Es wurde ihm vorgeworfen, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um 58 km/h überschritten zu haben. Dafür sind eine Regelgeldbuße von 480 Euro und ein Regelfahrverbot von einem Monat vorgesehen. Um zu verhindern, wegen der Ordnungswidrigkeit belangt zu werden, wandte sich der Angeklagte an eine unbekannt gebliebene Person, die auf einer Internetseite damit warb, gegen Zahlung Punkte und Fahrverbote zu übernehmen. Diese Person füllte das Anhörungsschreiben der Bußgeldbehörde für den Angeklagten aus, gab den Verstoß zu und erklärte, sie sei der verantwortliche Fahrer. Dabei gab sie den Namen einer tatsächlich nicht existenten Person unter einer Karlsruher Adresse an.

Bußgeldbehörde bemerkte Manipulation erst nach Eintreten der Verfolgungsverjährung

Daraufhin erließ die Bußgeldbehörde gegen die in Wirklichkeit nicht existierende Person einen Bußgeldbescheid und stellte zugleich das Verfahren gegen den Angeklagten ein. Bis die Behörde erfuhr, dass die angegebene Person nicht existiert, war die Verkehrsordnungswidrigkeit bereits verjährt, sodass der Angeklagte deshalb endgültig nicht mehr belangt werden konnte. Das Amtsgericht Reutlingen verurteilte den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung. Das Landgericht Tübingen sprach ihn in der Berufungsinstanz aus rechtlichen Gründen frei. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Revision ein.

OLG bestätigt Freispruch: Keine falsche Verdächtigung einer nicht existierenden Person möglich

Die Revision hatte keinen Erfolg. Das OLG hat den Freispruch bestätigt. Der Angeklagte habe sich nicht wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 2 StGB strafbar gemacht, da er die falsche Behauptung nicht in Bezug auf eine andere tatsächlich existierende Person aufgestellt hat. Laut OLG ergibt die Auslegung der Vorschrift nach Wortsinn, Systematik und Zweck des Gesetzes, dass "ein anderer" eine tatsächlich existierende Person sein müsse. Auch die historische Auslegung der Norm bestätige, dass der Gesetzgeber in § 164 StGB nur die falsche Verdächtigung einer bestimmten existierenden Person unter Strafe stellen wollte. Gerade deswegen sei § 145d StGB (Vortäuschen einer Straftat) als eine bewusste Reaktion des Normgebers auf die "Strafbarkeitslücke" des § 164 StGB ausdrücklich auch in Bezug auf das Verdächtigen einer nicht existenten oder nicht bestimmbaren Person geschaffen worden, aber eben nur hinsichtlich einer Straftat und nicht wie hier bezüglich einer Ordnungswidrigkeit.

Auch keine anderen Straftatbestände oder OWi-Tatbestände verwirklicht

Der Angeklagte habe auch keine anderen Straftatbestände verwirklicht, so das OLG weiter. Es komme weder eine Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB noch eine Beteiligung an einem Vortäuschen einer Straftat (§ 145d Abs. 2 StGB) oder an einer Strafvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB) in Betracht. Der Angeklagte habe sich auch nicht wegen versuchter mittelbarer Falschbeurkundung nach §§ 271 Abs. 1, Abs. 4, 22, 23 StGB strafbar gemacht, indem er eine falsche Eintragung der Ordnungswidrigkeit im Fahreignungsregister habe herbeiführen wollen, denn das vom Kraftfahrt-Bundesamt geführte Fahreignungsregister sei kein öffentliches Register im Sinne der Norm. Der Angeklagte sei schließlich auch nicht wegen einer Ordnungswidrigkeit der Beteiligung an einer vorsätzlichen falschen Namensangabe nach §§ 111 Abs. 1, 14 OWiG zu belangen. Insoweit sei jedenfalls das von Amts wegen auch im Revisionsverfahren zu berücksichtigende Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 OWiG eingetreten.

OLG Stuttgart, Urteil vom 20.02.2018 - 25 Ss 982/17

Redaktion beck-aktuell, 21. Februar 2018.

Mehr zum Thema