Videoverhandlung bei komplexem Fall abgelehnt: Keine Befangenheit

Störanfällige Technik, ein komplexer Fall und ein Streitwert jenseits von einer Million Euro? Das sind laut OLG Stuttgart sachliche Gründe, eine Videoverhandlung abzulehnen, und kein Anzeichen für eine Befangenheit des Richters. 

Zwei Photovoltaikfirmen waren auf Rückzahlung von rund 1,5 Millionen Euro verklagt worden, nachdem ein Solarprojekt gescheitert war. Da einer ihrer Geschäftsführer den vom Einzelrichter verfügten Gerichtstermin wegen "Auslandsabwesenheit" nicht wahrnehmen konnte, beantragten sie eine Videoverhandlung. Der Vorsitzende Richter winkte noch am selben Tag ab: der Fall sei "zu komplex", der Streitwert hoch, die Technik "nicht stets zuverlässig". 

Den daraufhin eingereichten Ablehnungsantrag nach § 42 ZPO schmetterte die Kammer – ohne Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden – ab. Er sei in "erkennbarer Verschleppungsabsicht" gestellt worden, das 26-seitige Ablehnungsgesuch voller "Floskeln, Zitate und Redundanzen" rechtsmissbräuchlich und unzulässig. Die Kammer sah keine plausible Grundlage für ein berechtigtes Misstrauen. Das Ablehnungsgesuch diene, so der Vorwurf, allen voran dazu, dem Geschäftsführer einen Urlaub zu ermöglichen, den dieser erst nach der Terminierung gebucht habe. Der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung wurde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG vorgelegt.

OLG: Komplexer Sachverhalt kann Grund für Präsenz-Verhandlung sein

Auch das OLG Stuttgart konnte keine Befangenheit des Richters darin erkennen, dass er eine Videoverhandlung nach § 128a ZPO aufgrund der Komplexität des Falls und des hohen Streitwerts abgelehnt hatte (Beschluss vom 10.03.2025 – 3 W 10/25). Das Gericht stellte vielmehr fest, dass die sorgfältig begründete Ablehnung der Videoverhandlung auf sachlichen Erwägungen beruhte und die schnelle Mitteilung der Rechtsauffassung keine präjudizielle Äußerung darstelle.

Auch der Hinweis des Einzelrichters auf die Störanfälligkeit der Technik sei nicht sachfremd. Dass die Videotechnik "nicht stets" störungsfrei funktioniere, sei dem Senat aus eigener Erfahrung bekannt.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.03.2025 - 3 W 10/25

Redaktion beck-aktuell, ns, 5. Mai 2025.

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