Die vielfach zitierte und verulkte Liebe der Juristinnen und Juristen zum Faxgerät ist seit Einführung der Pflicht zur Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) etwas erkaltet. Nun darf das alte Gerät nur noch bemüht werden, wenn die Computer-Technik mal streikt. Dass dem so ist, müssen Anwältinnen und Anwälte in der Regel glaubhaft machen - allerdings nicht, wenn es die Justiz-Technik ist, die der beA-Übermittlung einen Strich durch die Rechnung macht, sagt das OLG Stuttgart (Beschluss vom 19.02.2025 – 1 Ws 44/25).
Dem zugrunde lag eine Strafsache vor dem AG Leutkirch im Allgäu, das eine Frau im Oktober 2023 wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt hatte. Hiergegen legte ihre Verteidigerin am letzten Tag der Frist Berufung ein - allerdings nicht, wie nach § 32d StPO vorgeschrieben, per beA, sondern per Telefax. Zudem schickte sie den Schriftsatz auch noch als PDF-Anhang per E-Mail ans Gericht und führte darin aus, dass eine "Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) aufgrund von Wartungsarbeiten im Bereich der Justiz Baden-Württemberg nicht möglich war".
Technische Störung muss laut Gesetz glaubhaft gemacht werden
Nach § 32d S. 3 und 4 StPO ist eine Ersatzeinreichung bei technischer Unmöglichkeit erlaubt, diese muss allerdings glaubhaft gemacht werden. Nachdem die Staatsanwaltschaft beantragt hatte, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, erklärte die Anwältin daher nochmals, dass eine Übermittlung per beA aufgrund von Wartungsarbeiten bei der Justiz nicht möglich gewesen sei. Hilfsweise beantragte sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 StPO). Dennoch verwarf das LG Ravensburg die Berufung und auch den Antrag auf Wiedereinsetzung als unzulässig, wogegen die Verteidigerin die sofortige Beschwerde zum OLG erhob.
Das OLG gab ihr nun recht und entschied, dass die eigentlich gemäß § 32d Satz 4 StPO vorgeschriebene Glaubhaftmachung hier ausnahmsweise nicht erforderlich gewesen sei. Daher brauchte es auch den Wiedereinsetzungsantrag nicht. Für diesen sei bereits allgemein anerkannt, dass allgemeinkundige oder gerichtsbekannte Tatsachen keiner Glaubhaftmachung bedürften, so das OLG. Dies müsse man auch auf die Glaubhaftmachung nach § 32d Satz 4 StPO übertragen, da es keinen Grund gebe, hier unterschiedliche Anforderungen zu stellen. Bei der Formulierung des Wortlauts von § 32 StPO habe der Gesetzgeber den Fall vor Augen gehabt, dass der Computer eines Anwalts oder einer Anwältin versage. Solche Gründe seien dem Gericht schließlich in der Regel nicht bekannt. Bei einem technischen Problem in der Justiz selbst greife diese Überlegung indes nicht.
Hinweis: Vielleicht besser einstellen
Hier sei davon auszugehen, dass der Umstand, dass die eigenen IT-Systeme gewartet wurden, den baden-württembergischen Gerichten bekannt gewesen sei, meint das OLG. Schließlich seien sie durch entsprechende Hinweise per E-Mail und auf der Informationsseite des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs darüber informiert worden.
Eine kleine Fußnote zur materiellen Seite des Falls hatte der Beschluss des OLG übrigens auch noch: Der Senat wies darauf hin, dass im angefochtenen Urteil ausreichende Feststellungen zum Rücktritt vom Versuch fehlten. "Danach könnte eine Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen sachgerecht erscheinen."