Sie hätte vorsorgen müssen: 94.000 Euro retten Ehevertrag

Er wollte die Scheidung der Kinder wegen verhindern, sie verlangte entgegen dem Ehevertrag Versorgungsausgleich. Die Gerichte schieden die Ehe, der Versorgungsausgleich blieb aber aus. Ein Ende, bei dem es nur Verlierer gab.

Da ein Ehegatte über mehrere Jahre Kompensationszahlungen in Höhe von insgesamt knapp 94.000 an seine Gattin geleistet hatte, blieb der ehevertragliche Ausschluss des Versorgungsausgleichs wirksam. Damit habe sie sich eine ausreichende Altersvorsorge schaffen können, während sie zur Erziehung der Kinder nicht berufstätig war. Das OLG Stuttgart erlaubte dem Vater daher, sich auf die Vertragsklausel zu berufen. Dieser wiederum könne die Scheidung aber nicht wegen eines Härtefalls verhindern – zwar hätten die gemeinsamen Kinder durchaus unter der Trennung und den Streitigkeiten der Eltern gelitten, maßgeblich seien aber die Konsequenzen der Scheidung selbst (Beschluss vom 26.06.2025 – 11 UF 194/23).

Im Jahr 2011 schlossen ein Oberarzt und eine in Teilzeit arbeitende Krankenschwester die Ehe – nebst Ehevertrag. Darin schlossen sie für den Scheidungsfall sowohl nachehelichen Unterhalt (exklusive Betreuungsunterhalt) und den Versorgungsausgleich aus. Mit 8.500 Euro brutto lag das Monatsgehalt des Ehegatten dabei stets weit über dem Monatsgehalt seiner Frau, das mit 1.450 Euro monatlich zu Buche schlug. Zu diesem Zeitpunkt war auch geplant, dass die Gattin auch bei Geburt eines Kindes weiter arbeiten sollte. Vier Jahre später kam es dann anders. Nach der Geburt des ersten Kindes im Mai 2015 war die Mutter zuerst in Mutterschutz und später bis Mitte 2021 in Elternzeit. Dann trennten sich die Eheleute und die Mutter zog aus, wobei sie ihren Beruf wieder aufnahm.

Sie reichte die Scheidung ein, verlangte aber trotz des Ehevertrages Versorgungsausgleich. Der Ehemann wollte die Ehe unter Verweis auf die Härtefallregelung des § 1568 BGB aufrechterhalten, da die Kinder besonders unter einer Scheidung leiden würden. Das AG Reutlingen schied die Ehe, einen Versorgungsausgleich verneinten sie anhand des Ehevertrages allerdings. Dagegen gingen beide Eheleute vor dem OLG Stuttgart in Berufung.

War der Vertrag sittenwidrig?

Die Frau machte geltend, der Ehevertrag sei sittenwidrig. Ihr Ehemann habe damals erklärt, der Vertrag diene dem Schutz seiner Existenz, insbesondere der Gründung der eigenen Arztpraxis oder dem Einkauf in eine bestehende Praxis. Über die tatsächlichen Auswirkungen – den Ausschluss des Versorgungsausgleiches – sei sie sich "zu keinem Zeitpunkt bewusst gewesen". Es sei nur darum gegangen, sie wirtschaftlich zu binden und zu knebeln. Ihr Mann hätte zwar hohe Kompensationszahlungen geleistet, diese seien allerdings sämtlich in familienbezogene Ausgaben geflossen. Im Ergebnis sei sie selbst also nicht kompensiert worden.

Der Mann trug vor, dass seine Gattin zuvor einen Entwurf des Ehevertrages enthalten und die Möglichkeit gehabt habe, diesen rechtlich überprüfen zu lassen. Die hohen familienbezogenen Ausgaben seien außerdem weder belegt noch nachvollziehbar. Mithilfe seiner Ausgleichszahlungen hätte sie sich stattdessen eine weitere private Altersvorsorge aufbauen können und wäre dadurch ausreichend kompensiert worden. Bezüglich der Kinderschutzklausel erklärte er, dass gerade die gemeinsame Tochter massiv unter der ausgesprochenen Trennung leide. Sie zeige psychische Auffälligkeit und sei in der Schule besonders aggressiv, außerdem habe sie Suizidgedanken geäußert. Es sei ihr sehnlichster Wunsch, die Familie wieder aufleben zu lassen – eine rechtskräftige Scheidung würde diese Hoffnungen endgültig zerschlagen, was gravierende weitere Reaktionen befürchten ließe. Das OLG Stuttgart ließ beide Argumente allerdings nicht gelten und schloss sich dem Beschluss der Vorinstanz an.

Kein Happy End, kein Härtefall

Der 11. Senat für Familiensachen betonte, dass das Gesetz ab einer dreijährigen Trennung unwiderleglich von einer gescheiterten Ehe ausgehe. Die Härtefallklausel des § 1568 BGB – wonach die Ehe nicht zu scheiden sei, wenn es im Interesse der gemeinsamen Kinder "aus besonderen Gründen notwendig" ist – greife daher nur unter besonderen Voraussetzungen.

Die Kinder müssten durch die Scheidung selbst ungewöhnliche Folgen erleiden, damit die Ehe aufrechterhalten werden müsse. Diese dürften aber nicht schon aus der Trennung der Eheleute, sondern müssten explizit aus der drohenden Scheidung folgen. Hier hätten sich die psychischen Auffälligkeiten der Tochter bereits nach der Trennung gezeigt. Kinder "mögen sich die Wiederherstellung des Familienverbundes wünschen", so der Senat, dazu sei die Mutter allerdings ausdrücklich nicht bereit. Selbst ohne eine Scheidung würde dieser Wunsch daher nicht erfüllt, die Kinder würden auch nicht erst dann realisieren, dass die Familie endgültig zerstört sei. Der Senat sei überzeugt, dass sie das bereits erkannt hätten, zumal sich die Mutter einem neuen Partner zugewandt habe.

Ehevertrag dank Ausgleichszahlungen wirksam

Entgegen der Gattin hielt das OLG den ehevertraglichen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht für sittenwidrig. Das wäre hier nur der Fall gewesen, wenn die Eheplanung keine ausreichende Alterssicherung vorgesehen hätte und der Vertrag wegen einer verwerflichen Gesinnung des Gatten zustande gekommen sei. Darauf hätte man hier wiederum nur schließen können, wenn dieser die ungleiche Verhandlungslage einseitig dominiert hätte. Ohne weitere verstärkende Umstände sei die ungleiche Lastenverteilung allerdings lediglich ein Indiz für das Kräfteungleichgewicht zwischen den Eheparteien.

Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe Eheplanung hier noch vorgesehen, dass die Frau auch bei der Geburt eines Kindes weiterhin in Teilzeit berufstätig sein solle. Es sei nicht klar gewesen, dass sie sich in dieser Zeit keine ausreichende Altersversorgung würde aufbauen können. Auch sonst sei hier eine besondere Zwangslage – etwa die Ausnutzung einer Schwangerschaft durch den Ehemann, wirtschaftliche Abhängigkeit oder intellektuelle Unterlegenheit – nicht ersichtlich gewesen.

Auf diesen zulässigen Vertragsinhalt habe sich der Ehemann außerdem auch berufen dürfen. Das läge anders, wenn der tatsächliche Verlauf der Ehe einvernehmlich von der vorherigen Planung abgewichen wäre. Dabei genüge aber nicht jede Abweichung, vielmehr müssen die neuen (unvorhergesehenen) Scheidungsfolgen besonders schwerwiegend sein. In diesem Fall war die Ehefrau entgegen der Planung für fünf Jahre gar nicht berufstätig, um sich um die Erziehung der Kinder zu kümmern. Diese einvernehmliche Entscheidung könne auch nicht ihr allein angelastet werden.

Unstreitig habe der Ehemann allerdings von 2016-2021 Ausgleichszahlungen von zumindest 94.000 Euro gezahlt. Das Gericht stellte fest, dass die familienbezogenen Ausgaben deutlich geringer ausgefallen seien als von der Ehegattin zunächst behauptet. Unter Verrechnung ihrer gesamten Einnahmen sei ihr damit ein Restbetrag von knapp 77.821,15 verblieben, mit dem sie eine zusätzliche private Altersversorgung hätte betreiben können. Diesem Zweck hätten die Überweisungen auch dienen sollen. Ein Versorgungsausgleich hätte hier Rentenversicherungswerte von knapp über 50.000 Euro kompensiert. Wegen seiner eigenen Ausgleichszahlungen sei es sei seitens des Ehemanns daher nicht rechtsmissbräuchlich, sich auf den Ehevertrag zu berufen.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.06.2025 - 11 UF 194/24

Redaktion beck-aktuell, tbh, 24. Juli 2025.

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