OLG Schles­wig hält Aus­lie­fe­rung Pu­ig­de­monts (nur) wegen Vor­wurfs der Ver­un­treu­ung für zu­läs­sig

Die Aus­lie­fe­rung des frü­he­ren ka­ta­la­ni­schen Re­gio­nal­prä­si­den­ten Carles Pu­ig­de­mont nach Spa­ni­en kann auf den Vor­wurf der Ver­un­treu­ung öf­fent­li­cher Gel­der ge­stützt wer­den. Eine Aus­lie­fe­rung wegen des Vor­wurfs der Re­bel­li­on hält das Ober­lan­des­ge­richt Schles­wig da­ge­gen für nicht zu­läs­sig, wie es mit Be­schluss vom 12.07.2017 ent­schie­den hat.

Man­gels aus­rei­chen­den Ge­walt­ni­veaus kein Hoch­ver­rat

Hin­sicht­lich des Vor­wurfs der "Re­bel­li­on" fehle es auch nach er­neu­ter Prü­fung an der nach § 3 des Ge­set­zes über die In­ter­na­tio­na­le Rechts­hil­fe in Straf­sa­chen er­for­der­li­chen Er­fül­lung einer bei­der­sei­ti­gen Straf­bar­keit. Auf diese komme es nach dem Wil­len des deut­schen Ge­setz­ge­bers und im Ein­klang mit Eu­ro­päi­schem Recht ent­schei­dend an, be­tont das OLG. Die in Be­tracht kom­men­de deut­sche Straf­vor­schrift des Hoch­ver­rats gemäß § 81 StGB gehe von einem Ge­walt­ni­veau aus, das durch die in Spa­ni­en er­folg­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen nicht er­reicht wor­den sei.

Ge­walt­sa­me Aus­ein­an­der­set­zun­gen vor Wahl­lo­ka­len nicht aus­rei­chend

Mit dem Re­fe­ren­dum vom 01.10.2017 selbst werde die­ses Aus­maß von Ge­walt schon des­halb nicht ver­wirk­licht, weil es nicht un­mit­tel­bar zur Los­lö­sung von Spa­ni­en habe füh­ren kön­nen und ge­ra­de nach dem Wil­len des Ver­folg­ten Pu­ig­de­mont nur der Auf­takt zu wei­te­ren Ver­hand­lun­gen habe sein sol­len. Die be­son­ders vor einer Reihe von Wahl­lo­ka­len er­folg­ten ge­walt­sa­men Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Ab­stim­mungs­wil­li­gen und der Guar­dia Civil oder der Na­tio­nal­po­li­zei hät­ten eben­falls nicht eine Qua­li­tät er­reicht, dass hier­durch die ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Ord­nung Spa­ni­ens ernst­lich be­droht wor­den wäre.

Auch keine Ge­walt­ta­ten auf­grund Ein­sat­zes der Re­gio­nal­po­li­zei bei Wahl

So­weit der Ge­ne­ral­staats­an­walt und die spa­ni­sche Jus­tiz auf die unter Ein­be­zie­hung des Ver­folg­ten er­gan­ge­ne An­wei­sung an die der ka­ta­la­ni­schen Re­gio­nal­re­gie­rung un­ter­ste­hen­de Re­gio­nal­po­li­zei (Mos­sos d´Es­qua­dra), die Durch­füh­rung des Re­fe­ren­dums "si­cher­zu­stel­len", ab­ge­stellt hät­ten, hat der Senat auch hier­in keine Ver­an­las­sung von Ge­walt­ta­ten ge­gen­über Kräf­ten der Zen­tral­re­gie­rung ge­se­hen. Zu sol­chen Ge­walt­ta­ten sei es nach den vor­lie­gen­den In­for­ma­tio­nen auch nicht ge­kom­men.

Kein Land­frie­dens­bruch – Pu­ig­de­mont kein "geis­ti­ger An­füh­rer" von Ge­walt­tä­tig­kei­ten

Auch eine Straf­bar­keit unter dem Ge­sichts­punkt des Land­frie­dens­bruchs (§ 125 StGB) schei­de aus, so das OLG wei­ter. Zwar könne auch be­straft wer­den, wer als Pla­ner oder Or­ga­ni­sa­tor eines Ge­walt­ge­sche­hens nicht am Ort des Ge­sche­hens selbst an­zu­tref­fen sei. Vor­aus­set­zung sei al­ler­dings, dass ein der­ar­ti­ger "Hin­ter­mann" die Ge­walt­ta­ten habe er­ken­nen kön­nen und auch ge­bil­ligt habe sowie das Ge­sche­hen auch habe be­ein­flus­sen kön­nen. Dies sei im Fall des Ver­folg­ten Pu­ig­de­mont nicht der Fall ge­we­sen. Ihm sei es le­dig­lich um die Durch­füh­rung des Re­fe­ren­dums ge­gan­gen. Er sei kein "geis­ti­ger An­füh­rer" von Ge­walt­tä­tig­kei­ten ge­we­sen.

(Deut­scher) Un­treu­e­tat­be­stand er­füllt

Hin­sicht­lich des Vor­wurfs der Ver­un­treu­ung öf­fent­li­cher Gel­der hat das OLG indes an sei­ner frü­he­ren Ein­schät­zung fest­ge­hal­ten und die Aus­lie­fe­rung für zu­läs­sig er­klärt. In­so­weit sei die bei­der­sei­ti­ge Straf­bar­keit nicht zu prü­fen, weil es sich um eine Ka­ta­log­tat im Sinne des EU-Rah­men­be­schlus­ses han­de­le, bei der eine sol­che Prü­fung ent­fal­le. Zum an­de­ren sei die bei­der­sei­ti­ge Straf­bar­keit aber auch ge­ge­ben, da die Tat auch in Deutsch­land als Un­treue straf­bar wäre (§ 266 StGB).

Kos­ten des Re­fe­ren­dums be­las­ten öf­fent­li­che Kas­sen

Zwar sei die ur­sprüng­li­che Be­schrei­bung des Ge­sche­hens auf­grund wei­te­rer Er­mitt­lun­gen zum Teil über­holt. Gleich­wohl habe das OLG hin­rei­chend deut­lich er­se­hen kön­nen, dass dem Ver­folg­ten Pu­ig­de­mont letzt­lich die Mit­ver­ant­wor­tung für die Ein­ge­hung von fi­nan­zi­el­len Ver­pflich­tun­gen zu­las­ten der öf­fent­li­chen Kas­sen vor­ge­wor­fen werde. Dass die Durch­füh­rung eines Re­fe­ren­dums Geld kos­ten werde, habe der Ver­folg­te Pu­ig­de­mont als Re­gio­nal­prä­si­dent un­schwer er­se­hen kön­nen. Schon die Ver­mö­gens­ge­fähr­dung durch ein­ge­gan­ge­ne Ver­bind­lich­kei­ten sei auch nach deut­schem Ver­ständ­nis ein hin­rei­chen­der Scha­den. Dass die ent­stan­de­nen Kos­ten von vorn­her­ein gänz­lich durch Drit­te hät­ten fi­nan­ziert wer­den sol­len, sei nicht er­sicht­lich. Die ver­blei­ben­den Ein­zel­fra­gen seien im spa­ni­schen Straf­ver­fah­ren zu klä­ren.

Keine po­li­ti­sche Ver­fol­gung Pu­ig­de­monts zu be­sor­gen

Dass das Aus­lie­fe­rungs­er­su­chen dazu die­nen solle, Carles Pu­ig­de­mont in Spa­ni­en po­li­tisch zu ver­fol­gen, wie der Ver­folg­te meint, schlie­ßt das OLG aus. Es sei ab­we­gig, dies dem spa­ni­schen Staat als Mit­glied der Wer­te­ge­mein­schaft und des ge­mein­sa­men Rechts­raums der Eu­ro­päi­schen Union zu un­ter­stel­len. Das OLG be­kun­det da­ge­gen sein "un­ein­ge­schränk­tes Ver­trau­en darin, dass auch die spa­ni­sche Jus­tiz den An­for­de­run­gen des na­tio­na­len als auch des Ge­mein­schafts­rechts ent­spre­chen werde".

Keine for­mel­len Aus­lie­fe­rungs­hin­der­nis­se

For­mel­le Aus­lie­fe­rungs­hin­der­nis­se oder Be­den­ken ge­gen­über der vom Ge­ne­ral­staats­an­walt des Lan­des Schles­wig-Hol­stein zu er­tei­len­den Aus­lie­fe­rungs­be­wil­li­gung hat das OLG nicht ge­se­hen. Dies be­trifft sei­nen An­ga­ben nach auch die Ein­hal­tung des Grund­sat­zes der Spe­zia­li­tät (Straf­ver­fol­gung in Spa­ni­en jetzt nur noch im Um­fang der für zu­läs­sig er­klär­ten Aus­lie­fe­rung). Das OLG geht davon aus, dass die spa­ni­schen Ge­rich­te die­sen Grund­satz be­ach­ten und nicht etwa den Ver­folg­ten Pu­ig­de­mont nach der Aus­lie­fe­rung wegen des Vor­wurfs der Kor­rup­ti­on auch noch wegen Re­bel­li­on ver­fol­gen wer­den.

Pu­ig­de­mont bleibt auf frei­em Fuß

Das OLG hat ent­ge­gen dem An­trag des Ge­ne­ral­staats­an­walts des Lan­des Schles­wig-Hol­stein schlie­ß­lich davon ab­ge­se­hen, den Ver­folg­ten Pu­ig­de­mont wie­der in Aus­lie­fe­rungs­haft zu neh­men, weil der Ver­folg­te bis­her stets seine Auf­la­gen be­folgt habe.

OLG Schleswig, Beschluss vom 12.07.2018

Redaktion beck-aktuell, 12. Juli 2018.

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