OLG verlangte in Eilverfahren Differenzierung nach Art des Modells
Der Kläger ist eine Vereinigung von Menschen mit Körperbehinderungen. Die beklagte KVG hatte im Februar 2015 angekündigt, entgegen ihrer bisherigen Praxis künftig keine E-Scooter mehr in Bussen mitzunehmen. In einem daraufhin eingeleiteten Eilverfahren verpflichtete der Erste Zivilsenat des OLG Schleswig die Beklagte im Dezember 2015 zunächst, es zu unterlassen, die E-Scooter von der Beförderung in Bussen pauschal ausschließen, ohne nach der Art des Modells zu differenzieren. Seitdem gestattet die Beklagte die Mitnahme von E-Scootern in beschränktem Umfang und nach bestimmten Kriterien. Zudem bietet die Beklagte ein Rufbussystem an, wonach Nutzer von E-Scootern in der Zeit zwischen 6.00 und 24.00 Uhr einen Einzeltransport mit einer Rufzeit von 30 bis 60 Minuten nutzen können.
Mindestvoraussetzungen für Mitnahme inzwischen bundesweit einheitlich geregelt
Im vorliegenden Hauptsacheverfahren wollte der Kläger die Unterlassung der Beförderungsverweigerung durch die Beklagte erreichen. Das Landgericht Kiel wies die Klage ab. Nach Erlass des Urteils des LG Kiel ist am 15.03.2017 eine bundesweit einheitliche Erlassregelung der Länder zur Mitnahme von E-Scootern in Linienbussen des ÖPNV in Kraft getreten. Hierin sind die Mindestvoraussetzungen geregelt, unter denen E-Scooter in Linienbussen des ÖPNV sicher transportiert werden können und deshalb mitgenommen werden müssen.
Neue Situation durch in Kraft getretenen Erlass
Die von der Beklagten weiter verfolgte Berufung gegen das Urteil des LG Kiel hat das OLG zurückgewiesen. Der Kläger könne im Hauptsacheverfahren – anders als im damaligen Eilverfahren – nicht mehr verlangen, dass der Beklagten verboten wird, unterschiedslos alle E-Scooter von der Beförderung auszuschließen. Die Situation habe sich durch den am 15.03.2017 in Kraft getretenen Erlass grundlegend geändert. Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Gefahr eines zukünftigen rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten bestehe nicht. Seit dem 15.03.2017 richte sich die Frage der Rechtmäßigkeit nach den Regelungen des Erlasses. Es bestehe nicht die Befürchtung, dass die Beklagte die Beförderung von E-Scootern nicht nach Maßgabe des Erlasses vornehmen könnte. Die Beklagte habe nicht nur ausdrücklich erklärt, sie werde die E-Scooter entsprechend den Vorgaben des Erlasses befördern. Vielmehr lasse auch ihr gesamtes bisheriges Verhalten keinen Zweifel daran, dass sie sich der bundeseinheitlichen Regelung nicht widersetzen wird. Sie habe die Beförderung von E-Scootern zu keinem Zeitpunkt aus grundsätzlichen Erwägungen heraus abgelehnt, sondern stets im Hinblick auf die bestehende Rechtsunsicherheit und die drohenden Haftungsrisiken. Mit der erlassgemäßen Beförderung sei zugleich gewährleistet, dass die Beklagte die Beförderung von E-Scootern in ihren Bussen nicht unterschiedslos ausschließt.
Keine andere Bewertung für Übergangszeit
Der Kläger habe auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte während der Übergangszeit, bis die Hersteller der E-Scooter die Anforderungen des Erlasses vollständig umgesetzt haben, E-Scooter nach anderen Kriterien als denen des Erlasses befördert. Vielmehr müssten es der Kläger und die Nutzer von E-Scootern hinnehmen, dass eine erlassgemäße Beförderung derzeit im Wesentlichen aus nicht von der Beklagten zu vertretenden Umständen nicht möglich ist und lediglich das von der Beklagten angebotene Rufbussystem – mit seinen vom Kläger anschaulich geschilderten Nachteilen – genutzt werden kann.