Gut­ach­ter führt im Ter­min das Pro­to­koll: Nach­träg­li­che Rüge rechts­miss­bräuch­lich

In der Ver­hand­lung waren sich alle noch einig, dass der Gut­ach­ter seine Aus­füh­run­gen zum ΔV und der be­haup­te­ten HWS-Ver­let­zung gleich selbst pro­to­kol­liert. Doch spä­ter, nach­dem das LG nicht in ihrem Sinne ent­schie­den hatte, rügte die Ver­letz­te diese Vor­ge­hens­wei­se. Das OLG Schles­wig hält dies für rechts­miss­bräuch­lich.

Eine Frau be­gehr­te nach einem Ver­kehrs­un­fall Scha­dens­er­satz und Schmer­zens­geld. Der Geg­ner hatte sich auf schnee­glat­ter Fahr­bahn ge­dreht und war mit 20 bis 30 km/h in ihren Wagen ge­rutscht. Durch das ab­rup­te Ab­brem­sen er­litt sie – so ihr Vor­trag – ein HWS-Schleu­der­trau­ma. Der an­de­re Fah­rer konn­te sich das an­ge­sichts der ge­rin­gen Kol­li­si­ons­ge­schwin­dig­kei­ten nicht vor­stel­len, er habe den Wagen der Frau le­dig­lich leicht tou­chiert.

Das LG be­auf­trag­te einen Sach­ver­stän­di­gen mit der Er­stel­lung eines tech­nisch-me­di­zi­ni­schen Gut­ach­tens. Es ging um das ΔV, die kol­li­si­ons­be­ding­te Ge­schwin­dig­keits­ver­än­de­rung, und die Frage, ob der Zu­sam­men­stoß eine HWS-Ver­let­zung er­klä­ren könn­te. Im Ter­min, beim dem die Ver­letz­te und ihr Mann an­we­send waren, waren sich alle Be­tei­lig­ten einig, dass der Sach­ver­stän­di­ge die Ein­zel­hei­ten sinn­vol­ler­wei­se di­rekt selbst ins Pro­to­koll spricht. Nach­dem das LG die Klage ab­ge­wie­sen hatte – laut Gut­ach­ten war der An­stoß "mit an Si­cher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit" für eine HWS-Ver­let­zung zu schwach – legte die Frau Be­ru­fung ein. Sie rügte, dass die Pro­to­kol­lie­rung in un­zu­läs­si­ger Weise dem Sach­ver­stän­di­gen über­tra­gen wor­den sei. Damit ge­riet sie beim OLG Schles­wig an die Fal­schen.

Das OLG kün­dig­te an, die Be­ru­fung nach § 522 Abs. 2 ZPO zu­rück­zu­wei­sen (Hin­weis­be­schluss vom 22.10.2024 – 7 U 40/24). Die Rich­te­rin­nen und Rich­ter räum­ten zwar ein, dass die ZPO die Über­nah­me der Pro­to­koll­füh­rung durch den Sach­ver­stän­di­gen nicht vor­se­he und dies daher ein Ver­fah­rens­feh­ler sein könn­te. Das al­ler­dings in zwei­ter In­stanz zu rügen, nach­dem im Ter­min all­ge­mei­ne Ei­nig­keit be­stan­den habe, sei rechts­miss­bräuch­lich. So­wohl die Ver­letz­te als auch ihr An­walt hät­ten das Dik­tat durch den Sach­ver­stän­di­gen per­sön­lich mit­er­lebt und keine Be­den­ken ge­äu­ßert. Auch die in­halt­li­chen An­grif­fe gegen das Gut­ach­ten fand das OLG nicht über­zeu­gend. 

OLG Schleswig, Beschluss vom 22.10.2024 - 7 U 40/24

Redaktion beck-aktuell, ns, 27. November 2024.

Mehr zum Thema