Sittenwidrig? Mentoring-Programm für 60.000 Euro

Auch Unternehmer können am Telefon überrumpelt werden – wie hier mit einem Mentoring-Vertrag. Fast wäre es glimpflich ausgegangen: Das LG Kiel ging von Sittenwidrigkeit aus. Das OLG Schleswig sah es aber anders.

Ein Unternehmer telefonierte mit einer Anbieterin von Mentoringprogrammen für Unternehmensführung: Er definierte mit ihr seine Geschäftsziele und schloss gleich einen Vertrag über ein Jahresprogramm ab. Kosten: 60.000 Euro. Dafür sollte er 9 Zoom-Meetings pro Monat, Zugang zu einer Telegram-Gruppe, Lernvideos, ein Workbook und VIP-Tickets für zwei Seminare erhalten. Zahlen sollte er monatlich vorab in Raten von 5.000 Euro. Das Gespräch wurde mit Zustimmung des Unternehmers aufgezeichnet.

Kaum aufgelegt, bedauerte er seinen Entschluss und widersprach seiner Zusage. Die Gegnerin verwies darauf, dass er den Vertrag als Unternehmer geschlossen hatte. Nachdem er mit drei Monatsraten im Rückstand war, verklagte sie ihn vor dem LG Kiel zunächst erfolglos. Die Berufung ging beim OLG Schleswig dann zugunsten des Mentors aus.

Kein VU trotz Säumnis

In dem anberaumten Termin erschien der Unternehmer nicht. Trotzdem erließ das LG Kiel (Urteil vom 08.02.2024 – 6 O 143/23) kein Versäumnisurteil, sondern wies die Klage ab: Der Vertrag sei sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB – das klägerische Vorbringen rechtfertige den Klageantrag nicht. Ein VU könne deshalb nach § 331 Abs. 2 ZPO nicht ergehen.

Zwischen Leistung und Gegenleistung bestand nach Ansicht der Kieler Richterinnen und Richter ein krasses Missverhältnis. Der marktübliche Preis für die Wissensvermittlung und -beratung – etwa durch Fernuniversitäten – sei mit bis zu 4.700 Euro um ein Vielfaches geringer. Das LG berücksichtigte dabei auch, dass bei dem Angebot keinerlei Kosten für Unterbringung, Verpflegung oder sonstiger Aufwand einer Präsenzveranstaltung anfielen, da sämtliche Leistungen online erfolgen sollten. Der Unternehmer sei beim telefonischen Vertragsschluss überrumpelt worden.

Anders bewertete das OLG Schleswig (Urteil vom 05.07.2024 – 19 U 65/24) den Sachverhalt: Mentoren-Verträge seien mit Fernunterricht nicht vergleichbar, auch in ihrer Preisstruktur nicht. Während es beim Fernunterricht um die Vermittlung von Grundlagenwissen gehe, seien Mentoring-Programme auf "schnellen individuellen und wirtschaftlichen Erfolg" oftmals "unter besonderer Betonung der Persönlichkeit des Mentors" ausgerichtet. Insofern sei nicht von einem "auffälligen Missverhältnis" zwischen Leistung und Gegenleistung auszugehen.

OLG Schleswig, Urteil vom 05.07.2024 - 19 U 65/24

Redaktion beck-aktuell, rw, 2. September 2024.