Ein Mann saß wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung in Untersuchungshaft. Das LG Lübeck ließ die Nebenklage der mutmaßlich Geschädigten zu und gestattete ihrem Anwalt die Akteneinsicht, nachdem dieser erklärt hatte, seiner Mandantin keine Aktenteile zu überlassen. Der Angeklagte beschwerte sich beim OLG Schleswig über diese Entscheidung – er befürchtete, die Nebenklägerin werde die Akte lesen und ihre Aussage auf deren Inhalt abstimmen, um die Verurteilungswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Dadurch werde der Untersuchungszweck gefährdet.
Das OLG (Beschluss vom 06.05.2025 – 1 Ws 56/25) lehnte ab: Selbst bei einer klassischen Aussage-gegen-Aussage-Konstellation – die hier nur teilweise vorlag – gefährde die Akteneinsicht nach § 406e Abs. 1 StPO den Untersuchungszweck nicht, wenn der Nebenklagevertreter zusage, seiner Mandantin die Akte nicht zugänglich zu machen. Zwar kann das Gericht dem OLG zufolge nicht verhindern, dass die Geschädigte dennoch in die Akte schaut. Es könne das aber im Rahmen der Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung überprüfen und den Beweiswert ihrer Aussage entsprechend würdigen.
Würde man die Akteneinsicht für die Nebenklagevertretung verweigern, könne das die Verfahrensbeteiligtenrechte der Nebenklägerin empfindlich beschneiden, so das OLG: Insbesondere das Fragerecht komme nur dann zur vollen Geltung, wenn aus der Akte vorgehalten werden kann. Auch Anträge könnten nur bei vollständiger Aktenkenntnis gestellt werden.