OLG Saarbrücken: Eintritt des Versicherungsfalls «Rohrbruch» in der Gebäudeversicherung

VGB §§ 1 Ib, 4 I, IIa Nr. 1, 6 II

Gewährt ein Vertrag über eine Gebäudeversicherung Versicherungsschutz für den Fall des «Rohrbruchs», das heißt für ein meist punktuelles Ereignis, so tritt der Versicherungsfall nach Auffassung des Oberlandesgerichts Saarbrücken nicht erst mit Auftreten oder Sichtbarwerden durch den Rohrbruch hervorgerufener Wasserschäden ein, sondern bereits mit der Schädigung des Rohres, die zu dem Wasseraustritt geführt hat. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass diese Schädigung schon vor Abschluss des Vertrages vorlag, muss der Versicherungsnehmer beweisen, dass der Versicherungsfall in den Haftungszeitraum fällt.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 19.12.2018 - 5 U 4/18 (LG Saarbrücken), BeckRS 2018, 34033

Anmerkung von
Rechtsanwalt Holger Grams, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 2/2019 vom 24.01.2019

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Sachverhalt

Der Kläger begehrt vom beklagten Versicherer Leistungen wegen eines Rohrbruchschadens aus einer 1974 anlässlich des Erwerbs eines im Rohbau erstellten Wohnhauses abgeschlossenen Wohngebäudeversicherung. Zu den versicherten Gefahren zählen nach den vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen VGB «Leitungswasser, Rohrbruch oder Frost (Leitungswasserversicherung …)». Als Versicherungsfall definiert ist der Zeitpunkt, «in dem sich eine versicherte Gefahr an versicherten Sachen zu verwirklichen beginnt».

2013 kam es zu einem Wassereintritt im Keller des Gebäudes. Zur Untersuchung der Schadensursache wurde der Boden aufgestemmt und das darin verlegte Rohr aufgeschnitten. Der Kläger zeigte der Beklagten einen Rohrbruch an einem Abflussrohr an und ließ unmittelbar danach, noch vor Besichtigung durch die Beklagte, Sanierungsarbeiten durchführen. Der Versicherer bestritt einen versicherten Rohrbruch und behauptete, es habe lediglich eine Verstopfung vorgelegen. Der auf Lichtbildern am Rohr ersichtliche Schaden sei erst beim Auftrennen des Rohres durch die Handwerker entstanden.

Das Landgericht gab der Klage nach Beweisaufnahme überwiegend statt, weil es von einem erwiesenen Rohrbruch ausging. Der Sachverständige habe festgestellt, dass ein Rohrbruch vorliege, der aufgrund einer nicht fachgerechten Verlegung bereits seit der Errichtung des Gebäudes bestanden habe. Auf die Berufung des Versicherers hob das OLG das LG-Urteil auf und wies die Klage ab.

Rechtliche Wertung

Bei den versicherten Gefahren «Leitungswasser» und «Rohrbruch» handle es sich um zwei selbstständige Versicherungsfälle, die an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft seien und für die unterschiedliche Entschädigungsregelungen gälten, so das OLG. Die Rohrbruchversicherung decke die streitgegenständlichen Kosten der Rohrbruchbeseitigung selbst, nicht aber auch Folgeschäden durch Leitungswasser aus einem solchen Rohrbruch, die auch gar nicht streitgegenständlich seien.

Aufgrund der – in der Berufung ergänzten – Beweisaufnahme stehe nicht mit hinreichender Gewissheit fest, dass der nach Ansicht des Senats durch die Beweisaufnahme erwiesene Rohrbruch in versicherter Zeit eingetreten sei. Der Sachverständige habe festgestellt, dass der Schaden am Rohr bereits seit der Errichtung des Gebäudes, also vor dem Erwerb des Hauses und dem Abschluss des Versicherungsvertrages durch den Kläger bestanden habe. Der Versicherer hafte nur, wenn der Versicherungsfall in den Haftungszeitraum falle.

Ein Versicherungsfall liege nicht erst dann vor, wenn alle eine Haftung des Versicherers begründenden Umstände gegeben sind, sondern bereits dann, wenn die versicherte Gefahr eingetreten ist. Je nach Definition des Versicherungsfalles sei also nicht zwangsläufig erforderlich, dass auch der Schaden schon eingetreten ist. Vorliegend sei der Eintritt des Schadens nach der Definition des Versicherungsfalls «Rohrbruch» nicht maßgeblich.

Der Versicherungsfall «Rohrbruch» stelle typischerweise ein punktuelles Ereignis dar, also anders als beim Leitungswasserschaden, der sich häufig über einen – oft längeren – Zeitraum erstrecke und bei dem sich der Schaden mit zunehmender Dauer infolge nachlaufenden Wassers vergrößere.

Die Beweislast dafür, dass der Versicherungsfall im versicherten Zeitraum eingetreten ist, trage nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger, und zwar nach § 286 ZPO. Dieser Beweis sei dem Kläger gerade nicht gelungen.

Praxishinweis

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Das OLG stützte sich insbesondere auf die Entscheidung des BGH (Urteil vom 12.07.2017 - IV ZR 151/15, BeckRS 2017, 119229, Anmerkungen Grams, FD-VersR 2017, 393755), der zufolge der Versicherungsfall «Leitungswasser» (§ 4 Nr. 1 lit. b i.V.m. § 6 VGB 2001) diejenigen Schäden umfasst, die bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser an allen denkbaren versicherten Gegenständen verursacht. Dies setze ein Geschehen voraus, das sich regelmäßig über einen - oft längeren - Zeitraum erstreckt und bei dem sich der Schaden mit zunehmender Dauer infolge ständig nachlaufenden Wassers vergrößert.

Demgegenüber würden nach § 4 Nr. 2 VGB 2001 Bruchschäden an Rohren der Wasserversorgung und Frostschäden an sonstigen Leitungswasser führenden Einrichtungen entschädigt. Versicherungsschutz werde somit für ein meist punktuelles Ereignis, den Rohrbruch, gewährt. Diese Differenzierung ist bei der Geltendmachung und Regulierung solcher Schäden zu beachten.

Redaktion beck-aktuell, 6. Februar 2019.