Reparaturkosten: Auf die wahren Schäden kommt es an

Was, wenn ein Fahrzeug mit vertretbarem Aufwand repariert werden kann, ein vorgerichtliches Gutachten die Kosten aber zu hoch ansetzt? Es zählt, was wirklich ersetzt werden muss, sagt das OLG Saarbrücken.

Unfallgeschädigte können nach ständiger Rechtsprechung die tatsächlichen Reparaturkosten ersetzt verlangen, wenn diese nicht mehr als 30% über dem Wiederbeschaffungswert ihres Fahrzeugs liegen. Das ändert sich nicht dadurch, dass ein vorgerichtliches Gutachten fälschlicherweise von einem höheren Schaden ausgeht. Für die 130%-Grenze sind im Zweifel die nachträglich gerichtlich festgestellten Kosten der unfallbedingten Schäden maßgeblich, meint das OLG Saarbrücken (Urteil vom 05.06.2025 – 3 U 68/24).

Nach einem Verkehrsunfall holte die Eigentümerin eines VW Golf ein Schadensgutachten ein, das die Reparaturkosten mit 4.337,54 Euro und den Wiederbeschaffungswert eines gleichartigen Fahrzeugs mit 3.600 Euro bemaß. Sie ließ das Auto daraufhin reparieren und verlangte von den Unfallgegnern unter anderem die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten in Höhe von 4.596,67 Euro. Das LG Saarbrücken stellte im Verfahren fest, dass das zuvor eingeholte Gutachten nicht nur die entstandenen Unfallschäden berücksichtigt hatte, sondern auch Vorschäden, die mit der Reparatur gleichzeitig mit beseitigt wurden. Es sprach der Klägerin daher den Anteil der Kosten zu, die unmittelbar auf den Unfall zurückzuführen waren – 3.399,13 Euro.

Dagegen wandten sich die Schädiger mit ihrer Berufung. Sie waren der Ansicht, dass sie nur den Wiederbeschaffungswert schuldeten, da die Gesamtkosten der Reparatur mit 4.596,67 Euro zu bemessen seien, was die Kosten der Wiederbeschaffung um mehr als 30% überschritten hätte. Das LG habe der Geschädigten anhand des nachträglichen Gerichtsgutachtens fälschlicherweise fiktive Reparaturkosten zuerkannt. 

Das OLG Saarbrücken korrigierte daraufhin das vorinstanzliche Urteil wegen leichter Berechnungsfehler, im zentralen Streitpunkt verneinte es jedoch die Argumente der Schädiger: Das vorgerichtliche Gutachten sei für die Bemessung der 130%-Grenze nicht maßgeblich gewesen.

Die richtige Grundlage für die 130%-Grenze

Der 3. Senat stellte voran, dass es zur Berechnung des Fahrzeugschadens zwei maßgebliche Grundlagen gebe: Erstens die Reparaturkosten und zweitens die Kosten für die Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs. An sich sei ein Geschädigter zwar gehalten, den günstigeren Weg zu wählen (Wirtschaftlichkeitsgebot), nach ständiger Rechtsprechung des BGH könne er aber aus einem "besonderen Integritätsinteresse" auch die teureren Reparaturkosten des Fahrzeugs verlangen, solange diese den Wiederbeschaffungswert nicht um mehr als 30% überstiegen. 

Hierbei habe das LG zutreffend festgestellt, dass die auf dem Unfall beruhenden Kosten nur 3.399,13 Euro der für die Reparatur gezahlten 4.596,67 Euro umfasst hätten. Selbst wenn man dabei eine Wertverbesserung von 150 Euro einberechne und von einem geringeren Wiederbeschaffungswert von nur 2.800 Euro ausgehe, lägen die unfallbedingten Reparaturkosten immer noch unter der 130%-Schwelle. Dabei sei unerheblich, dass die Gesamtkosten der Reparatur – inklusive nicht unfallbedingter Vorschäden – höher gewesen seien. Die Schädiger schuldeten daher die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten, das LG habe insoweit nicht etwa "fiktive Reparaturkosten" zuerkannt.

Die Schädiger hätten hier nicht auf das vorgerichtliche Gutachten als Bemessungsgrundlage für die tatsächlichen Reparaturkosten vertrauen können, so das OLG. Denn auch ein Geschädigter vertraue nicht darauf, dass die vom Gutachter festgestellten Schäden ausschließlich unfallbedingt seien. Sie könnten die Reparaturkosten daher immer verlangen, wenn es ihnen gelinge, die Reparatur innerhalb der tatsächlichen 130%-Grenze durchzuführen, um den Wagen anschließend weiter zu nutzen.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.06.2025 - 3 U 68/24

Redaktion beck-aktuell, tbh, 27. Juni 2025.

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